Aus Mäusen Monster machen

(c) Ivan de Araujo
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In ganz harmlosen Tieren kann durch Manipulation des Gehirns der Trieb zum Jagen und Töten geweckt werden.

Mäuse können arge Plagegeister sein, die alles zernagen, was ihnen vor die Schnauze kommt, vom Brot bis zum Gwand, selbst vor Zigaretten und Seife machen sie nicht halt. Aber all das sind leblose Dinge, denn eines tun Mäuse für gewöhnlich nicht: jagen. Dabei sind sie körperlich bestens ausgestattet auch dafür, sie haben alles, was Raubtiere brauchen, seit vor etwa 400 Millionen Jahren die entscheidende Erfindung kam, die der Kiefer, sie kam bei den Fischen: Die hatten sich zuvor durch Einsaugen und Filtrieren ernährt, so wie das heute noch die Neunaugen tun. Dann kam der Kiefer und mit ihm das Genick, an ihm setzen die Muskeln an, es kamen auch Zähne.

So sind heute, außer den Neunaugen eben, alle Wirbeltiere gebaut, auch die Mäuse sind es. Aber Jäger sind sie eben nicht, denn dazu braucht es noch eines, den Jagd- und Tötungstrieb im Gehirn. Den kann man allerdings wecken, Uvan de Araujo (Yale University) hat es getan, mit optogenetischen Methoden, bei denen aktiviert man mit Licht einzelne Gene bzw. Zellen. De Araujo ist grundsätzlich an den Vorgängen im Gehirn interessiert, die mit dem Fressen zusammenhängen, ihm war eine Publikation aufgefallen, die für die Jagd typische Aktivitäten in der Amygdala vermutete.

Deshalb aktivierte er einzelne Zellen dort, bei zwei Gruppen wurde er fündig: Die eine weckt den Jagdtrieb und führt zu Attacken, aber nicht zum Totbeißen, dafür sorgt die zweite Gruppe: Sind beide aktiv, verwandeln harmlose Mäuse sich in etwas, was an manche lebende Tote in Horrorfilmen erinnert, de Araujo schildert es so: „Wenn wir den Laser einschalten, springen sie ein Objekt an, halten es mit ihren Krallen fest und beißen so intensiv, als würden sie versuchen, es zu töten.“ Sie töten es auch wirklich, wenn es etwas Lebendes ist, eine Grille etwa, die verzehren sie dann. Aber sie behandeln auch x-beliebige Gegenstände so, Kaffeetassen oder Holzstöckchen (Cell 12. 1.).

Nur andere Mäuse attackieren sie nicht. Und weil zudem ihr Jagdeifer mit dem Hunger wächst, interpretiert de Araujo das Ganze so: „Das System ist nicht das einer generellen Aggression, es scheint verbunden mit dem Interesse des Tiers, an Futter zu kommen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2017)

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