Aber er trug doch eine Waffe!

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Archivbild.(c) APA/AFP/Tulsa Police Department
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Vorurteile etwa von Weißen gegen Schwarze sitzen tief im Gehirn und in der Wahrnehmung. Aber auch das Herz spielt mit.

Vorurteile gegen Menschen fremdländischer Herkunft – in der englischen Sprache kann man unbefangen „races“ verwenden– sitzen tief, vor allem, wenn es darum geht, wie Weiße Schwarze sehen. „Sehen“ im Wortsinn: Wenn Afroamerikaner von der Polizei getötet werden, sind sie doppelt so häufig unbewaffnet wie Weiße, die das gleiche Schicksal erleiden. Sie haben nur etwas in der Hand, ein Handy oder einen Schraubenzieher etwa, eine Waffe nicht. Aber in den Augen der Polizisten ist es eine Waffe.

Das ist keine Berufskrankheit, es geht den meisten Menschen so, es wurde oft in Psychologenlabors bestätigt, in der „Weapons Identification Task“: Da werden weißen Testpersonen Fotos von Schwarzen und Weißen gezeigt, alle haben etwas in der Hand, eine Waffe oder etwas Harmloses. Aber in der schwarzen Hand sieht das weiße Auge eher eine Waffe.

So war das auch im Labor von Ruben Azevedo (London), aber er wiederholte das Experiment nicht einfach zum x-ten Mal, er trieb es weiter und tiefer: Die Angst vorm schwarzen Mann sitzt nicht nur in den Gehirnen, sondern auch in den Herzen. Ja, was soll denn das Herz mit dem Gehirn zu tun haben? Es kommuniziert mit ihm, und zwar so: Wenn das Herz schlägt bzw. pumpt – in der Systole –, erhöht es den Druck in den entsprechenden Blutgefäßen. Er wird im Herzen und in den Gefäßen gemessen, von Barorezeptoren, die an das Herz melden, es entspannt sich und die Gefäße in der Diastole, in der es gefüllt wird und nicht pumpt.

Pochen des Herzens verzerrt den Blick

Aber die Rezeptoren melden nicht nur an die nähere Umgebung, ihre Signale laufen auch an das Gehirn. Natürlich sind sie umso stärker, je stärker das Herz pocht – etwa vor Angst –, und das schlägt im Gehirn auf die Wahrnehmung durch, Azevedo hat es an Probanden gemessen, denen er das Foto entweder in Diastole oder in Systole gezeigt hat: In ihr sahen die Augen noch häufiger – um zehn Prozent – eine Waffe, wo keine war (Nature Communications, 17. 1.): „Die Erregung des Körpers spielt eine bedeutende Rolle dabei, wie das Gehirn eine Situation interpretiert“, schließt Azevedo.

Aber nicht immer: Ein Herz kann nicht nur vor Angst zum Halse schlagen, und es gibt nicht nur negative Stereotypen: Wenn Usain Bolt um Medaillen kämpft, zittern auch weiße Fans mit, im Kopf. Aber ganz unabhängig vom Herzschlag. Der Verstärkereffekt funktioniert nur bei Furcht. (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2017)

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