Schlüsselmolekül der Liebe: Kisspeptin

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Das Hormon, das für geschlechtliche Reifung sorgt, bringt im Gehirn beides zusammen: Sex und Romantik.

Wann bei heranwachsenden Menschen und Tieren die Geschlechtsreife kommt, hängt von vielen Faktoren ab, äußeren wie inneren: Bei sibirischen Hamstern etwa, die sich nur im Sommer fortpflanzen, steuert die Tageslänge mit; zudem hängt viel an der Größe des Körpers bzw. seiner Energiereserven: Solange die zur Reproduktion nicht reichen, kommt die Reife nicht, und dass sie bei Menschen immer früher kommt – bei Mädchen mit zehn, elf –, rechnet man der besseren Ernährung zu. Umgekehrt reifen Ratten nie, wenn man sie auf knappster Kost hält.

Es sei denn, man hält mit einem Hormon dagegen, Kisspeptin (bzw. seinem Gen KISS). Das wurde 1996 in einem Labor in einem Ort namens Hershley entdeckt, der steckt auch im Namen: In Hershey wird eine Leckerei namens Kiss produziert. Das „SS“ am Ende bedeutet aber noch etwas ganz anderes: „Suppressor-Sequenz“: Kisspeptin unterdrückt die Bildung von Tumoren in der Brust und der Haut. Bald bemerkte man, dass es auch etwas tut, zu dem der Zufallsname passt: Es spielt eine Schlüsselrolle in der Signalkette, an deren Ende Hoden und Eierstöcke reifen und sich sekundäre Geschlechtsmerkmale bilden. Weit oben in der Kaskade wirkt Kisspeptin, und es ist nicht nur im aufkeimenden Sex am Werk, sondern die ganze Geschlechtsreife lang.

Kinderwunsch im Kopf aktiviert

Wenn etwa Frauen Kinderwünsche nur mit Retortenbabys erfüllen können, muss ihr Eisprung angeregt werden, mit für manche riskanten Medikamenten. Es geht auch mit Kisspeptin, das hat Waljit Dilho (Imperial College) London vor zwei Jahren bemerkt. Da er aber davon ausgeht, dass Kinderwünsche oft im Kopf blockiert werden können, hat er nun erkundet, wie Kisspeptin dort wirkt: Er platzierte 23 junge Männer in Magnetresonanzröhren und zeigt ihnen verschiedene Fotos: Die von Paaren beim Sex, die von schlicht trauten Paaren, die von irgendwelchen Objekten und die von Gesichtern mit unterschiedlichsten Ausdrücken.

Manche Testpersonen erhielten Kiss-peptin (andere ein Placebo), bei ihnen wurden die Gehirne in manchen Regionen höchst aktiv, wenn sie Sexszenen sahen, aber sie wurden in anderen ebenso aktiv, wenn sie traute Paare sahen, auf die anderen Bilder reagierten diese Areale nicht (Journal of Clinical Investigation 23. 1.): „Unsere Studie zeigt, dass Kisspeptin beides aktiviert, sowohl die sexuelle wie die romantische Hirnaktivität“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2017)

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