Hobbit-Filme: Gierkritik, aber selbst Geldmacherei

Der Hobbit (dargestellt von Martin Freeman) lässt sich nicht von Gold, Macht und Ruhm blenden.
Der Hobbit (dargestellt von Martin Freeman) lässt sich nicht von Gold, Macht und Ruhm blenden. (c) Warner
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Wieviel Zeitgebundenes in die Wahrnehmung einfließt, wurde an Kinogängern erhoben: Die sahen im „Hobbit“ Raubtierkapitalismus, bei seinen Machern auch.

Die Figuren und Szenarien, mit denen J. R. R. Tolkien seine Mittelerde füllte, ziehen auch Wissenschaftler in den Bann: Da wurde etwa Gollum, der einst ein Guter war und durch Mord zum „einen Ring“ kam, 2004 von britischen Ärzten die Diagnose gestellt: „Schizoide Persönlichkeitsstörung“. Und da wurde mit Klimamodellen erhoben, dass es am Ort des Bösen, in Mordon, „sehr trocken“ war, bei den Hobbits in The Shire hingegen mild wie im östlichen Mitteleuropa. Das stammte von Radagast the Brown, einer Tolkien-Figur, hinter ihr verbarg sich der Klimatologe Dan Lund.

Es war ein ernsterer Spaß, Lund wollte den Nutzen von Klimamodellen zeigen. Er tat das 2013. Da war die Filmverwertung des Mammutwerks wegen überwältigenden Erfolges des „Herrn der Ringe“ prolongiert worden, die zweite Folge des zur Trilogie zerdehnten „Hobbit“ lief gerade an. In ihr gab es das Übliche zu sehen, aber was sahen die Kinobesucher mit den Augen ihrer Zeit, was nahmen sie mit nach Hause? Vor allem die alles zerfressende Gier und die alles erlösende Macht von Freundschaft und Liebe.

Dass die beiden Themenkreise zentral waren, zeigte sich an 3235 Testpersonen, die einen von Brigitte Hipfl (Uni Klagenfurt) und Jasmin Kulterer (Uni Salzburg) im deutschen Sprachraum verschickten Fragebogen retourniert hatten (Participations 13, S. 246): „Der Hobbit zeigt wieder, dass Menschen leicht von Macht und Ruhm geblendet werden, und dass nur wenige dem widerstehen können“, schrieb da einer, und ein Zweiter hatte vor allem „die Gier nach Geld/Gold“ gesehen, „die im Kapitalismus regiert. Der Tanz ums Goldene Kalb hat immer schon Gedanken und Taten der Menschen regiert.“

Das Goldene Kalb fiel wenigen zum Kapitalismus ein, mehr fühlten sich an die Bankenkrise und deren Akteure erinnert, sie sahen in den Filmen Kapitalismus-Kritik. Aber sie waren nicht blind, sahen und kritisierten auch, welch gigantische Geldmaschine aus Tolkien Milliarden schlug: „Ausbeutung einer Marke bis zum absoluten Maximum“, kritisierte einer, ein zweiter formulierte ähnlich, fuhr aber fort: „Das heißt nicht, dass der Film schlecht ist.“

Macht von Freundschaft und Hoffnung

An dem gefiel vor allem, dass Einzelne sich gegen das weithin herrschende Unheil stemmen und auch Erfolg haben können, wenn sie nur Freunde finden. Das war für Tolkien ein zentrales Thema, ein zweites war der Krieg, er hatte den Ersten Weltkrieg mitgemacht, er hatte auch nichts gegen Krieg – für die gute Sache natürlich –, obgleich ihm alle seine Freunde darin verloren gingen. Aber, Prinzip Hoffnung, es können neue kommen, neue Lieben auch.

Etwa die zwischen einer Elbe und einem Zwerg, für Tolkien unvorstellbar, im Film erfunden und von manchen Zusehern wieder als Folie ihrer Zeit empfunden, in der die klassische Mann/Frau-Beziehung Konkurrenz erhalten hatte: „Dahinter steht das generellere Thema seltsamer Paare“, kommentiert einer. Auch anderes Zeitgenössisches wurde in den Film interpretiert, die Zwerge auf der großen Flucht etwa erinnerte an TV-Nachrichten. „Die Hobbit-Filme sind keineswegs nur Filme“, schließt Hipfl: „Sie spiegeln ein gemeinsames Gefühl unter historisch spezifischen Bedingungen wider.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2017)

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