Vergiftet Feinstaub das Gehirn mit Demenz?

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Wer in hoch kontaminierten Regionen wohnt, direkt neben stark befahrenen Straßen etwa, hat ein stark erhöhtes Risiko, im Alter Krankheiten wie Alzheimer zu erleiden.

Wer nahe einer stark befahrenen Straße leben muss, der wird nicht nur vom Lärm geplagt, sondern auch vom Gestank. Der hieß früher einfach Abgas – oder, wenn er aus Schornsteinen kam: Rauch –, aber dann drang die Messtechnik in seine Bereiche vor, und seitdem heißt diese Luftverschmutzung Feinstaub. Besonders gefürchtet ist der, dessen Partikel 2,5 Mikrometer klein oder noch kleiner sind, er heißt PM2,5. Der kann Asthma bringen, Lungenkrebs, Herzleiden auch.

Dass er auch dem Gehirn nicht wohl tut, das ließen um das Jahr 2000 erstmals Hunde fürchten, Haushunde in Mexiko City. In Stadtteilen mit besonders übler Luft wurden sie verwirrt und desorientiert, oft erkannten sie ihre Halter nicht mehr. Und die, erkannten sie ihre Hunde noch? Darüber ist nichts bekannt, aber auch an Menschen in Mexico City (und in Manchester) fiel später etwas auf: Sie haben Feinstaub selbst im Gehirn, es zeigte sich bei Obduktionen.

In diesem Fall war es Magnetit, es steht im Verdacht, bei der Entstehung von Alzheimer mitzuwirken. Das gilt inzwischen auch für Feinstaub ganz generell: Einen Zusammenhang fanden 2009 Forscher der Uni Bochum, und nun kommt eine elf Jahre lange epidemiologische Studie der University of Southern California zu breiteren Zahlen: Frauen, die in Regionen leben, in denen die Feinstaubgehalte sehr hoch sind, haben ein fast doppelt so hohes Risiko, im Alter an Demenz zu leiden.

Ursache von einem Fünftel aller Fälle?

Ist das überall so, dann ist diese Umweltverschmutzung für etwa 21 Prozent aller Demenzfälle weltweit verantwortlich, schätzt Studienautor Jiu-Chiuan Chen (Translational Psychiatry 31. 1.). Und in Toronto wurde gerade erhoben, dass das Risiko vor allem in Straßennähe nach oben schießt: Wer nur 50 Meter daneben ist, hat oft zehn Mal so hohe Feinstaubgehalte in der Luft, als wer 150 Meter Abstand hat.

Die Folgen zeigen sich direkt in Versuchsmäusen, denen ein Risikogen für Alzheimer eingebaut ist, APOE4: Solche Mäuse hat Chen hohen PM2,5-Gehalten ausgesetzt, in ihren Gehirnen bildeten sich alzheimertypische Plaques. Wie der Feinstaub das anrichtet, ist noch unklar, er kann direkt wirken, über die Nase eindringen, und/oder er kann es indirekt tun, indem er die Lunge reizt, die dann Moleküle frei setzt, die das Gehirn schädigen (Science 355, S. 342). Unklar ist auch, ob es einen Grenzwert gibt, unterhalb dessen keine Schäden angerichtet werden. Nach derzeitigem Stand gibt es, wie beim Tabakrauch, keinen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2017)

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