Unsere Skigebiete sind Freiluft-Freizeitparks

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THEMENBILD: WINTERSPORT / SKIFAHREN / BERGEAPA/BARBARA GINDL
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Eine umfassende Studie der Uni Klagenfurt zeigt, dass die Wachstumsspirale der heimischen Skigebiete nicht ewig weiterlaufen kann. Man sollte auf eine Vielfalt der Wirtschaftsweisen in alpinen Regionen setzen.

„Es ist wie bei allem im Leben: Allzu viel ist ungesund“, sagt Verena Winiwarter vom Institut für Soziale Ökologie der Uni Klagenfurt. Gemeinsam mit Robert Groß hat sie in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt die Umgestaltung alpiner Täler durch den Einfluss der Skiläufer erforscht.

Als Beispiel dienten drei Orte in Vorarlberg: die Region Silvretta-Nova im Montafon, Lech am Arlberg und Damüls am Rand des Bregenzerwalds. „Die drei Regionen ermöglichen Rückschlüsse auf Skigebiete in ganz Österreich“, betont Groß, der das Zentrum für Umweltgeschichte der Uni Klagenfurt koordiniert.

Der erste Schlepplift Österreichs wurde 1937 in Lech errichtet, 1950 gab es durch den Marshallplan einen Boom an neuen Skiliften. Erst ab der Naturschutzbewegung der 1970er-Jahre wurden touristische Skigebiete von der Gesellschaft auch kritischer betrachtet. „Die Veränderungen an der Natur, die man für ein Skigebiet macht, sind groß“, so Winiwarter. Sie zählt die Eingriffe auf, die heute Alltag sind – im Vergleich zur ursprünglichen Form, als einzelne Tourengeher hinaufstapften und den unpräparierten Hang hinabgefahren sind.

Technische Infrastruktur wie Skilifte und die tägliche Aktivität von Pistenraupen verändern den Berg. Der Einsatz von Kunstschnee oder von lang gelagertem Schnee ist kosten- und energieintensiv. Daher werden Hänge häufig begradigt und Bodenwellen geglättet, damit man möglichst wenig des teuren Schnees benötigt. Durch Rodung der Bäume und das Befahren der Piste wird das gesamte Bodengefüge verändert.

„Heutige Skigebiete sind eigentlich Freiluft-Freizeitparks“, sagt Winiwarter. „Und so wie der Garten von Schönbrunn, der ja auch kein natürliches Ökosystem darstellt, einen ganz bestimmten Zweck hat, so haben auch die Skigebiete ihren Zweck. Man kann aber nicht auf Dauer immer weitere solcher Freizeitparks errichten.“ Sie sieht nicht nur ökologische Grenzen für eine ständige Ausweitung der Skigebiete, sondern auch ökonomische.

Skilifte sind wie Förderbänder

„All diese Infrastruktur und das Management kosten viel Geld, und die Skigebiete stehen in starker Konkurrenz zueinander“, so Winiwarter. Daher sind alle gezwungen, die Wachstumsspirale weiter anzutreiben. Gemessen wird der Erfolg in Menschen, die man pro Minute den Berg hinauftransportieren kann. Winiwarter und Groß vergleichen Skigebiete mit Fabriken, in denen Skilifte die Förderbänder sind und das Produkt touristische Zufriedenheit heißt.

Da alpine Ökosysteme aber dynamisch und fragil sind – Berge verändern sich eben –, ist der Ausgang dieser Entwicklung ungewiss: „Wir greifen immer tiefer in die Evolution dieser Ökosysteme ein“, sagt Winiwarter.

Kein stabiles System

Die Forscher warnen, dass die alpinen Regionen nicht auf den Skitourismus als einzige Säule der Wirtschaft bauen sollen. „Wenn alle auf massentouristische, technische Freizeitparks setzen, ist das kein stabiles System“, so Winiwarter. Vielmehr sollte man nach einer Diversifizierung streben, sagt die Umwelthistorikerin, die aus der Geschichte heraus weiß, dass eine Kombination verschiedener Säulen die Wirtschaft besser trägt. „Die alpinen Lebensweisen und Wirtschaftsweisen müssen vielfältiger werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2017)

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