Churchill, ein Mann der Wissenschaften

Winston Churchill
Winston ChurchillAPA/AFP/-
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1939, kurz vor Kriegsausbruch, machte sich der spätere Kriegspremier Großbritanniens profunde Gedanken über außerirdisches Leben. Das lange verstaubte Manuskript ist jetzt aufgetaucht.

„Wenn man die Wasserstoffatome in einem Pfund Wasser dazu bringen könnte, sich miteinander zu kombinieren und Helium zu bilden, könnten sie eine Maschine von tausend Pferdestärken ein ganzes Jahr treiben.“ Dieses Loblied auf die Kernfusion schrieb 1931 einer, der durch ganz Anderes im Gedächtnis haften geblieben ist, durch seine ewige Zigarre („no sports“) und vor allem dadurch, dass er Hitler die Stirn bot („blood, sweat and tears“): Winston Churchill.

Der war standesgemäß auf Eliteschulen, aber ein schlechter Schüler, bei der Armee holte er nach: Als er 1896 als 22-Jähriger in Indien stationiert war, ließ er sich Fuhren von Büchern schicken, darunter den „Origin of Species“ von Darwin. Zudem freundete er sich mit dem Schriftsteller H. G. Wells an, der sein Fachwissen gern utopisch ausspann und 1898 im „Krieg der Welten“ eine Invasion Außerirdischer imaginierte, später, 1914, dann die Atombombe („Befreite Welt“). Zu der Zeit dachte auch Churchill über revolutionäres Kriegsgerät nach, er propagierte als Erster Panzer, obgleich er bei der Marine war, er nannte sie „Landschlachtschiffe“.

Da war er hoch oben im Kriegsministerium, früher hatte er sich in der Politik versucht, später tat er es wieder, zudem war er früh als Kriegsberichterstatter tätig. In den 20er Jahren begann er, Essays über wissenschaftliche Fragen zu schreiben, sein Lob der Fusionsenergie erschien 1931 in „The Strand Magazine“ („Fifty Years Hence“).

„Sind wir allein im Universum?“

Nun ist ein elfseitiges Manuskript aufgetaucht, das Churchill 1939 – kurz vor Kriegsausbruch – für „News of the World“ geschrieben hatte, es erschien nicht, er überarbeitete es Ende der 50er. Dann verstaubte es im Archiv des US National Churchill Museum, nun kam es ans Licht, Astrophysiker Martin Livio konnte einen Blick hinein werfen (Nature 542, S. 289): „Sind wir alleine im Universum?“ So heißt der hoch aktuelle Titel, auch sonst ist Churchill auf der Höhe der heutigen Zeit: Er weiß, dass es Leben nur geben kann, wo es flüssiges Wasser gibt – in „Regionen zwischen ein wenig Frost und dem Siedepunkt von Wasser“ –, im Sonnensystem sah er die Bedingungen auf Venus und Mars.

Anderswo sah er sie auch: „Die Zahl von Sonnen, die Planeten mit Umständen haben, die Leben nicht unmöglich machen, muss immens sein.“ Und wir werden nicht die einzigen im Universum sein, das begründet Churchill mit einer hintersinnigen Volte: „Ich für meinen Teil bin nicht so wahnsinnig beeindruckt vom Erfolg, den wir mit unserer Zivilisation hier haben, dass ich darauf vorbereitet wäre zu denken, wir seien der einzige Ort mit lebenden, denkenden Kreaturen.“

Hinfliegen werde man allerdings nicht können, nur Mond, Mars und Venus seien erreichbar. Soviel Churchill 1939, bald hatte er anderes zu tun, die Invasion Irdischer drohte, er wehrte sie auch damit ab, dass er die avanciertesten Waffentechniken förderte, vom Radar bis zur Entschlüsselung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2017)

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