Sturmwarnung in der Datenskibrille

Dunkle Gewitterwolken
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Grazer Forscher entwickelten das erste Navigationssystem für Skigebiete: Fahranweisungen und andere Informationen kann man via Smartphone, Website oder einer Datenskibrille abrufen.

Begonnen hat diese Forschung rund um die Ski-WM in Schladming Anfang 2013: 25 Probanden konnten in dem steirischen Skigebiet die neuen Datenskibrillen testen, die das Grazer Kompetenzzentrum Evolaris erstanden hatte.

„Wir wollten wissen, was wünschen sich Skigäste: Welche Information ist auf der Skipiste hilfreich?“, erzählt Gerald Binder, der bei Evolaris den Bereich Smart Vision leitet. Er setzte seine Vision um, Skifahrern eine digitale Hilfe auf der Piste zu geben.

Sei es im Smartphone, auf Websites und Infoterminals – oder per Datenbrille. Die von Google-Glass bekannte Technik wurde nämlich auch für Skibrillen adaptiert: Sie sieht identisch aus wie eine herkömmliche Skibrille, hat aber einiges an Technik verbaut. Der Akku fällt kaum auf, und am unteren rechten Rand ist ein kleiner Monitor sichtbar. „Der Blick auf diese Informationen lenkt kaum vom Fahren ab: Man schaut dort so hin, wie man beim Autofahren kurz auf das Radio schaut“, sagt Binder. Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, kann ja stehen bleiben, um auf den Monitor in der Skibrille zu blicken. „Aus den Ideen der ersten Probanden haben wir einen mehrstufigen Entwicklungsprozess gestartet: Damit es im Endeffekt sowohl den Skigebieten als auch den Skifahrern nützt.“

Wo ist Sonne, wo ist gesperrt?

Von Beginn an wichtig waren Echtzeit-Infos: Wo ist welche Piste gesperrt, welcher Lift wegen einer Sturmwarnung geschlossen? Welche Hütte hat heute Sonderangebote, und bei welchem Lift ist die Warteschlange kürzer? Welche Wettervorhersagen gibt es heute, und wo scheint tatsächlich die Sonne? Die Softwareentwickler konnten all diese Abfragen in die Anwendung einbauen, dann starteten Feldtests: Wie lange hält der Akku, wie ist das Fahrgefühl mit der Datenskibrille?

Die jahrelange Forschung zur Technologie und Nutzerfreundlichkeit wurde unter anderem in einem EU-Projekt finanziert. Seit 2014 ist die Skiregion Ski Amadé als Kunde an Bord: Sie konnte das Forschungsergebnis gleich in Schladming und ihren anderen Skigebieten einsetzen. In den ersten Saisonen war der Service auf Datenskibrillen begrenzt und noch mit wenigen Funktionen bestückt: Wetterdaten, Informationen zu Pisten und Liften und eine Orientierungshilfe waren abrufbar.

Aber die Neuheit fand schnell Anklang bei den Skigästen, die seither um 19 Euro pro Tag die Datenskibrille ausleihen können. „Mit dieser Saison haben wir dort die Navigation integriert und bieten Evoski als eigenes Produkt auch für andere Endgeräte an. Die Ski-Navigation ist nun das zentrale Feature“, sagt Binder. „Auf einer Skipiste, wo jeder hin- und herfahren kann, ist der Freiheitsgrad des Users viel größer als auf einer Straße“, hebt er die Herausforderung an die Technik und die GPS-Ortung hervor. Dies konnte zusammen mit der Wiener Firma Toursprung, die auf Outdoor-Navigation spezialisiert ist, gelöst werden: Das Navigationssystem für das Skigebiet passt sich jetzt Schwung für Schwung dem Standort des Skifahrers an.

Sprachausgabe soll folgen

„Diese Entwicklung kann nun auf jedes beliebige Skigebiet angewendet werden“, sagt Binder, der nach so vielen Testfahrten kaum mehr ohne die Infos in der Datenbrille auf die Piste geht. Die App ist jedenfalls nicht auf Skibrillen begrenzt, sondern kann auch über den Computer, das Handy oder an fixen Terminals entlang der Piste abgerufen werden. „Die Datenbrillen sind ja kein Massenphänomen. Die häufigste Anwendung wird wohl mit dem Smartphone geschehen“, überlegt Binder.

„Da es während der Fahrt unpraktisch ist, zum Smartphone zu greifen, arbeiten wir an einer Sprachausgabe“, so Binder. Dann kann sich jeder Anweisungen wie „In 200 Meter links abbiegen“ per Kopfhörer ins Ohr geben lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2017)

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