Seit wann wandern Teile der Erde auf ihr herum?

Vulkan
Vulkanimago/Pacific Press Agency
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Der Beginn der Plattentektonik ist umstritten, manche sehen ihn früh, andere spät. Nun meldet sich eine mittlere Fraktion.

Nichts prägt das Bild der Erde so wie die Plattentektonik, sie hat Gebirge wie die Anden und den Himalaya aufgetürmt, sie hat Nord- und Südamerika miteinander verbunden. All das ist lange her, aber auch heute zeigt sie ihre Macht, verbreitet Angst und Schrecken, sorgt für Vulkane und Erdbeben, zuletzt für jene, die die Tsunamis über Thailand und Japan brachten. Dass diese von Bewegungen der Erdoberfläche kommen, und dass es sie überhaupt gibt, ist erst seit den späten 1950er-Jahren gesichert, zuvor war heftig umstritten, was der deutsche Meteorologe und Astronom Alfred Wegener 1915 postuliert hatte: Ihm war aufgefallen, dass die Ost- und Westränder des Atlantik – Europa und Afrika, Nord- und Südamerika – nahtlos zueinander passen, wenn man sie im Gedankenexperiment zusammenschiebt.

Also musste irgendetwas in der Realität sie einmal auseinandergeschoben haben. Wegener nannte das Phänomen „Kontinentaldrift“, kam damit aber vor allem bei seinen angelsächsischen Zeitgenossen schlecht an. Diese waren „Fixisten“, konnten sich die Erdoberfläche nur in vertikalen Bewegungen vorstellen, in denen die Haut etwa geschrumpelt war wie bei einem alternden Apfel. Wegeners „Mobilismus“ war zu revolutionär, er konnte auch keinen Mechanismus angeben, der die horizontalen Bewegungen treibt, und im falschen Land geboren war er obendrein: Seine Hypothese wurde als „wildgewordene deutsche Pseudowissenschaft“ abgetan und dem Vergessen überantwortet.

Andere Angelsachsen holten sie wieder hervor, als sie in den 1950er-Jahren den Meeresgrund des Atlantik vermaßen. Dabei bemerkte man in der Mitte einen Riss in Nord/Süd-Richtung. Dort dringt kochendes Gestein aus der Tiefe – es wird Basalt – und schiebt den Boden zur Seite, im Pazifik ist es nicht anders, so wandern Kontinente, präziser: Erdplatten. Und irgendwo muss das weggeschobene Material hin, es schiebt sich – in Subduktion – unter angrenzende Erdplatten. Das bringt Vulkane und Beben. Und das macht die Erde einzigartig, kein anderer bekannter Planet besitzt, was seit 1960 Plattentektonik heißt und unumstritten ist.

Fast 4,5 Milliarden Jahre? Nur eine?

Nur: Seit wann ist sie da? Darüber wird seit Jahrzehnten so heftig gestritten wie einst über das Phänomen selbst, wieder gibt es zwei Lager und zudem 18 verschiedene Definitionen der Plattentektonik, nur über eins herrscht Einigkeit: Das zentrale Element ist die Subduktion. Für die eine Fraktion kam diese ganz früh, bald nach der Bildung der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren; für die andere begann sie erst vor einer Milliarde Jahre. Die Fronten sind so verhärtet, dass 2006 eine Friedenskonferenz einberufen wurde, viel geschlichtet hat sie nicht, es liegt daran, dass das Spurenlesen schwierig ist. Dafür sorgt die Plattentektonik, die immer wieder alles umschichtet und wenig frühe Zeugen übrig gelassen hat.

Von denen sprechen manche für eine mittlere Position: Vor etwa drei Milliarden Jahren habe alles begonnen, dahin wiesen etwa Einschlüsse in Diamanten. In diese Richtung deutet nun auch 2,5 bis 3,5 Milliarden Jahre altes Gestein – Basalt und Granit – aus Australien, in dem eine Gruppe um Hugh Smithies (Perth) sekundäre Spuren gelesen hat (Nature 27. 2.): Aus wasserhaltigem Basalt kann Granit werden, aber nur unter einem bestimmten Verhältnis von Temperatur und Druck. Das herrschte nicht bei der Entstehung des Granit in Australien, er kann kein Produkt der Plattentektonik sein. Das für ihn passende Druck-Temperatur-Verhältnis herrschte nur in einer sehr dicken, aber unbewegten Erdoberfläche: „Die Erde hatte einen festen Deckel“, schließen die Forscher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2017)

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