„Tumore sind sehr unterschiedlich“

So vielfältig wie die Menschen sind auch Tumore. Daher wirkt etwa die gleiche Brustkrebsbehandlung bei jeder Frau anders. Mit einer besonderen Demonstration wollte man anno 2011 in Paris das Bewusstsein für die Erkrankung heben.
So vielfältig wie die Menschen sind auch Tumore. Daher wirkt etwa die gleiche Brustkrebsbehandlung bei jeder Frau anders. Mit einer besonderen Demonstration wollte man anno 2011 in Paris das Bewusstsein für die Erkrankung heben.(c) Pierre Verdy/AFP/picturedesk.com
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Österreichische und italienische Forscher arbeiten in einem länderübergreifenden Projekt gemeinsam an einem neuen Verfahren zur Personalisierung von Krebstherapien.

Zwei Frauen, beide gleich alt, bekommen die Diagnose Brustkrebs. Sie werden operiert, der Tumor ist in beiden Fällen der gleiche. Die Frauen bekommen die gleiche Behandlung mit den gleichen Medikamenten. Die eine Frau lebt noch jahrelang mit der Erkrankung. Die andere stirbt kurz nach Diagnosestellung.

Nach personalisierter Krebsmedizin gefragt erzählt der Arzt und Zellbiologe Lukas Huber gern diese Geschichte. Denn auch wenn ein Tumor gleich aussieht und den gleichen Namen trägt, ist er so unterschiedlich wie die beiden betroffenen Frauen selbst. Deshalb ist hier Personalisierung besonders wichtig: Die Therapie soll sich an den Bedürfnissen des Einzelnen orientieren.

In dem PreCanMed (Abk. für precise cancer medicine) getauften INTERREG-Projekt arbeiten Lukas Huber und seine Kollegen an der Entwicklung eines Testverfahrens, das völlig neue Möglichkeiten im Kampf gegen den Krebs eröffnen soll. Dazu arbeiten Forscher der Med-Uni Innsbruck, des Comprehensive Cancer Center Innsbruck, des Austrian Drug Screening Institute (ADSI) und der italienischen Universitäten Udine und Triest eng zusammen.

Minitumore in 3-D

Die Wissenschaftler verwenden dazu bei Operationen an Krebspatienten entfernte Gewebestücke von Tumoren. Auf Nährmedien züchten sie daraus dreidimensionale Minitumore, sogenannte Tumor-Organoide. Im nächsten Schritt sequenzieren sie das Genom dieses Minitumors. Dieser ist genetisch ident mit dem, der im Patienten wächst. So lässt sich feststellen, an welchen Stellen Mutationen passiert sind, die die Zellen entarten ließen. Bedenkt man die Komplexität unseres Erbgutes, scheinen die möglichen Fehlerquellen schier unendlich.

Basierend auf ihren Funden können die Forscher den Minitumor dann mit verschiedenen Substanzen behandeln und herausfinden, welche am besten wirken. Denn auch wenn es für jede Krebserkrankung Therapieschemata gibt, funktioniert die medikamentöse Behandlung derzeit großteils noch immer nach dem „Trial-and-error“-Prinzip. Huber vergleicht mit anderen Fachgebieten: „Bei Infektionen weiß man etwa, dass dieses Antibiotikum gegen jenen Erreger wirkt. Bei Tumoren ist das nicht so einfach. Sie können unzählige Mutationen aufweisen, in allen erdenklichen Kombinationen. Das macht sie so vielfältig.“

In der täglichen Praxis wird jedes Krebsgeschwür auf gängige Mutationen hin untersucht und danach das passende Medikament ausgewählt. Da man jedoch nur findet, wonach man auch sucht, beschränken sich diese Test auf bekannte Veränderungen, vieles bleibt unentdeckt. Daher wirkte die Therapie in Hubers Szenario bei der einen Brustkrebspatientin, bei der anderen aber nicht.

Testen ohne zu schaden

Trotz Leitlinien und Therapieschemata müssen sich Ärzte und Patienten meist durch verschiedene Chemotherapeutika „durchprobieren“, bis sie das eine gefunden haben, das wirkt. Das kostet den Patienten wertvolle Zeit und Kraft – und das Gesundheitssystem sehr viel Geld. Chemotherapeutika zählen zu den teuersten Substanzen, eine Krebstherapie kann mehrere hunderttausend Euro im Jahr kosten. Unschön, wenn sie dann gar nicht wirkt. Ein Tumor-Organoid dagegen ist mit derzeit ein paar tausend Euro pro Stück vergleichsweise günstig.

Das Beste daran: An den Minitumoren können viele verschiedene Substanzen zeitgleich und ohne Schaden für den Patienten ausprobiert werden. Ohne Nebenwirkungen und Zeitverlust. Auch die gewagtesten Kombinationen sind möglich, es kann experimentiert werden, wie es am Patienten nie möglich wäre. „Und darin liegt der Reiz der neuen Methode,“ sagt Huber. „Wir können damit auch das Unvorhergesehene finden.“ Resultat ist eine maßgeschneiderte, optimale Therapie für jeden einzelnen Tumor.

In zwei bis drei Jahren hofft Huber, ein ausgereiftes Testverfahren vorlegen zu können, das dann erstmals in klinischen Studien zum Einsatz kommen wird. [ ADSI ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2017)

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