Archäologie: Das babylonische Siegel

(c) Axel Krause
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Österreichische Forscher haben in Tell el-Dab'a im Nildelta einen Nachweis für Kontakte zwischen den alten Ägyptern und den Babyloniern gefunden.

Globalisierung ist beileibe nichts Neues: Schon vor mehr als drei Jahrtausenden gab es Kontakte zwischen weit entfernten Völkern und Kulturen. So auch zwischen den alten Ägyptern und den Babyloniern: Österreichische Archäologen haben bereits im Frühjahr eine Keilschrifttafel gefunden, die Kontakte zwischen dem Land am Nil und dem Zweistromland belegt. Anfang dieser Woche folgte ein weiterer Sensationsfund: der Abdruck eines Rollsiegels in Keilschrift. Mit Siegeln haben Beamte die königliche Korrespondenz, etwa Säcke oder Kästchen, verschlossen. „Das ist der erste Nachweis von Handels- oder politischen Kontakten zwischen Ägypten und den Babyloniern“, berichtet Irene Forstner-Müller, seit 1. Oktober Leiterin der Zweigstelle Kairo des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI).

Gefunden wurden die aufschlussreichen Fragmente in Tell el-Dab'a, der wichtigsten Grabung des ÖAI in Ägypten. Dieser Ort im östlichen Nildelta – in der Antike als Avaris bekannt – war die Hauptstadt der Hyksos (nach 1700 v. Chr.) und eine Residenz von Pharao Ramses II. Seit dem Jahr 1966 führen österreichische Archäologen dort Ausgrabungen durch. Vor einigen Jahren stießen sie auf eine große Palastanlage, die seit 2006 freigelegt wird – in zwei jeweils dreimonatigen Grabungskampagnen; im Winter ist es zu feucht, im Sommer zu heiß, als dass die mehr als 30 Ausgräber arbeiten könnten.

Weniger Grabungsprojekte

Tell el-Dab'a ist eine der wenigen Stadtgrabungen in Ägypten – vorwiegend werden Tempel und Gräber freigelegt –, entsprechend groß ist das internationale Interesse an den Ergebnissen. Im Nildelta betreiben die Forscher auch Landschaftsarchäologie. „Wir wollen die antike Flusslandschaft rekonstruieren“, sagt Forstner-Müller. Avaris war Hafenstadt an einem Arm des Nils.

Zudem ist die Errichtung eines Museums vor Ort geplant: Finanziert wird es großteils von Ägypten, das ÖAI sucht aber für die Architektenkosten (600.000 Euro) noch Sponsoren. Der Bund unterstützt das ÖAI mit jährlich 1,5 Millionen Euro – allerdings, so betonte der scheidende Wissenschaftsminister Johannes Hahn am Donnerstag, konzentriere sich die öffentliche Hand auf die Bereitstellung von Geld für die Grabungen.

Von der neuen ÖAI-Direktorin Sabine Ladstätter kommt volle Unterstützung für die Arbeit in Ägypten. Sie will beide Zweigstellen des ÖAI – in Kairo und in Athen – stärken und die internationale Kooperation ausbauen. Bei anderen Aktivitäten des außeruniversitären Instituts wird es hingegen zu größeren Änderungen kommen. Ladstätter erarbeitet derzeit einen Entwicklungsplan, der die Turbulenzen der letzten Jahre endgültig überwinden soll. Sie will unter anderem bei der innerösterreichischen Archäologie Schwerpunkte bilden und die Zahl der Ausgrabungsstätten reduzieren. Als Beispiel nannte sie Carnuntum: Dort soll künftig das Land NÖ allein die Grabungen durchführen. Im Gegenzug will Ladstätter im ostalpinen Raum aktiver werden und auch die Randbereiche der Römerzeit – von der späten Eisenzeit bis zur slawischen bzw. bayerischen Besiedlung – berücksichtigen.

Änderungen gibt es auch beim Flaggschiff des ÖAI, Ephesos. In der Türkei sind österreichische Archäologen nun schon seit 114 Jahren tätig. Heuer wurden in Ephesos zwölf Grabungsprojekte durchgeführt, 174 Forscher waren daran beteiligt, die Kapazität des Grabungshauses war überlastet. Ab 2010 sollen es jährlich nur mehr zwei bis drei Grabungsprojekte sein. Und zwar abwechselnd „in einem Rad, in dem die anderen pausieren und in dieser Zeit die Funde wissenschaftlich bearbeiten und publizieren“, so Ladstätter. Dafür bleibe derzeit oft zu wenig Zeit – „von der Ausgrabung bis zur Publikation dauert es oft 15 Jahre“. Die neue ÖAI-Chefin verspricht sich von der neue Organisation eine Effizienzsteigerung.

Im nächsten Jahr sollen in Ephesos vor allem drei Projekte verfolgt werden: die Restaurierung des großen Theaters, Ausgrabungen in der Nekropole und im Artemision. Bisher hat man sich dort, einige Kilometer außerhalb von Ephesos, nur für den Artemis-Tempel interessiert – er war eines der sieben antiken Weltwunder. Nun soll die ganze Siedlung rundherum erfasst werden. Das mit einer Mauer umschlossene Artemision hatte neben seiner kultischen Rolle auch Asylfunktion. Ladstätter: „Beliebt war es vor allem bei Steuerflüchtlingen.“ Diese mussten als Gegenleistung dem Tempel Geld geben – wodurch die Stätte sehr reich wurde.

ARCHÄOLOGIE AM ÖAI

Sabine Ladstätter ist seit 1.Oktober Direktorin des 1898 gegründeten Öster-reichischen Archäologischen Instituts (ÖAI). Die 27 fix angestellten und sieben über FWF-Projekte finan-zierten Forscher führen Ausgrabungen u.a. in Österreich und Ephesos durch. In Kairo und Athen werden Außenstellen betrieben. [ÖAI]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2009)

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