Intelligente Anwendungen aus „dummen“ Pixeln

Satellitenbild des Hurrikans Matthew
Satellitenbild des Hurrikans Matthew(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Satellitenbilder sagen mehr als Worte. Salzburger Forscher entwickeln Programme, um die Bilder in der Landwirtschaft, der Raumordnung oder bei der Katastrophenhilfe zu nützen.

Wenn alles drunter und drüber geht, dann hilft der Blick von oben: Immer öfter werden bei Erdbeben, Überflutungen oder in Kriegsgebieten Satellitendaten herangezogen, um sich von den Ausmaßen einer Katastrophe ein Bild zu machen. Die Programme, mit denen aus Luftbildern intelligente Anwendungen gemacht werden, stammen häufig aus Salzburg. Am Fachbereich für Geoinformatik – Z?GIS der Uni Salzburg entwickeln Forscher Programme, mit deren Hilfe aus den Bildern sinnvolle Informationen für unterschiedlichste Anwendungsbereiche gefiltert werden. „Wir machen aus dummen Pixeln intelligente Anwendungen“, sagt Geoinformatiker Thomas Blaschke, langjähriger Leiter des Research Studios iSPACE. So lieferten etwa seine Kollegen gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt bei zahlreichen Überflutungen oder Hurricans einen raschen Überblick. Früher mussten Einsatzorganisationen oft wochenlang warten, bis aus schlecht zugänglichen Gebieten Informationen verfügbar waren.

„Wir können heute von jedem beliebigen Punkt der Erde tagesaktuelle Aufnahmen haben“, so Blaschke. Zunächst sind diese Bilder aber nur Bilder. Erst wenn die Fernerkundungsdaten mit Informationen aus Datenbanken – Bevölkerungs-, Raumordnungs- oder Klimadaten – verknüpft werden, entstehen spannende Anwendungsmöglichkeiten.

Kleinräumige Vorhersagen

Wie etwa, wenn Gemeinden wissen wollen, was der Klimawandel an Veränderungen bringt: Die Salzburger Forscher haben mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in dem Projekt ÖKS15 Klimaszenarien visualisiert. Beobachtungsbilder der vergangenen Jahre und verschiedene Klimamodelle werden kombiniert. Mit den Informationen lässt sich beurteilen, wie sich eine höhere Durchschnittstemperatur oder mehr Niederschlag auf bestimmte Regionen auswirken. Voraussagen für sehr kleinräumige Gebiete werden möglich. Ein Start-up kümmert sich nun um die Vermarktung des neuen Angebots.

Humanitäre Organisationen verlassen sich auch auf die Möglichkeiten, die ihnen die Salzburger Forscher eröffnen. Mit Hilfe der Geodaten können die Ausmaße von Flüchtlingslagern und die dafür nötigen Hilfsgüter besser abgeschätzt werden. Die Raumordnung in stark wachsenden Städten – wie in Metropolen in China, Indien oder Brasilien – greift auf das Wissen aus der Luft zurück und plant gezielter.

Veränderungen in der Landwirtschaft lassen sich mit den Satellitenbildern genauer beurteilen: Die Salzburger nehmen für die EU diesbezüglich den Norden Syriens genau unter die Lupe. „Die Landwirtschaft ist dort fast völlig zum Erliegen gekommen. Es gibt keine Bewässerung mehr, die Bevölkerung kann sich nicht mehr selbst versorgen“, erzählt Blaschke. „Mit Hilfe unserer Auswertungen kann man sehr genau sagen, in welchen Gebieten noch etwas wächst.“

Das funktioniert, weil die Forscher ihren Programmen beibringen, aus den Geodaten bestimmte Muster zu lesen und richtig einzuordnen. Ein Beispiel: Das Programm erkennt ein Haus auch, obwohl es durch einen Baum halb verdeckt ist oder ein ungewöhnliches Dach hat. Diese Präzision sei aufwendig, dafür aber auch stabil und verlässlich, berichtet Blaschke. Und das mache den Wert der Analysen für die Praxis aus.

LEXIKON

Geografische Informationssysteme erfassen, bearbeiten und analysieren räumliche Daten. Sie erweitern damit die klassischen Landkarten, indem sie Informationen visualisieren und teils in 3-D aufbereiten. Basis der Anwendungen sind Satellitenbilder oder Luftbildaufnahmen. GIS-Systeme finden in der Raumplanung, der Logistik, im Umweltmanagement, dem Katastrophenschutz oder im Marketing breite Anwendung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2017)

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