Kinder brauchen Frauen und Männer als Helden

Mutter und Kind spielen ein Onlinespiel
Mutter und Kind spielen ein Onlinespiel(c) imago stock&people (imago stock&people)
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Kinder identifizieren sich gern mit dem eigenen Geschlecht. Daher sollen in ihren Medien sowohl weibliche als auch männliche Figuren vorkommen. Überhaupt empfiehlt eine neue Studie eine breite Palette an Charakteren.

Ob am Smartphone oder am Computer – Buben und Mädchen lieben Onlinespiele. Diese werden in allen Variationen angeboten, doch nur selten existieren die Stoffe auch als Film, Audio-CD, Buch oder Merchandiseprodukt. Das Institut für Medienwirtschaft der Fachhochschule St. Pölten hat in einem zweijährigen, von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG finanzierten Projekt untersucht, wie Kinder mit transmedialen und partizipativen Erzählformen umgehen. Außerdem wurde im Rahmen genderbezogener Grundlagenforschung analysiert, inwieweit populäre Kindermedien immer noch geschlechtsspezifisch ausgerichtet sind. Die Produktpalette der Prinzessin Lillifee in Rosa und martialische Lego-Ninjas dienen als Beispiele dafür.

Ein wichtiges Ergebnis der Studie, die in Form von Leitlinien für die Entwicklung von Kindermedienformaten veröffentlicht wurde, ist, dass Kinder von sich aus keinen Wert darauf legen, mit Geschlechterstereotypen konfrontiert zu werden. „Alle Themen können für Buben und Mädchen gleichermaßen angeboten werden“, sagt Studienautorin Astrid Ebner-Zarl. Wichtig sei, dass die Kinder selbst entscheiden können, welche Angebote sie nutzen.

Ein Kosmos aus Mythen

Da Kinder sich sehr gern mit Hauptfiguren identifizieren, die ihrem eigenen Geschlecht angehören, sollten in Kindermedien möglichst weibliche und männliche Figuren vorkommen. Bei einer Analyse in niederösterreichischen Gymnasialklassen nannten etliche Kinder Enid Blytons „Fünf Freunde“ als Lieblingsgeschichte, u. a., weil dort zwei Buben, zwei Mädchen und ein Hund gemeinsam Abenteuer erleben. Sowohl Mädchen als auch Buben identifizieren sich gern mit starken Persönlichkeiten, die humorvoll, intelligent und kompetent sind. Buben ist auch körperliche Stärke wichtig, Mädchen schätzen Zusammenarbeit, Hilfsbereitschaft und Loyalität. Als Ergebnis der St. Pöltener Untersuchung empfiehlt sich eine breite Palette an Charakteren und äußerlichen Merkmalen: Mutige und ängstliche, große und kleine, dicke und dünne, aktive und passive, gesellige und schüchterne Charaktere tragen dazu bei, die Figuren authentisch zu machen.

Bei manchen Geschichten kommt es vor allem auf eine Hauptfigur an. Projektleiter Andreas Gebesmair empfiehlt, dann dieselbe Geschichte in einem anderen Medium um neue Figuren zu erweitern. Es besteht auch die Möglichkeit, dass eine Fortsetzung die Figuren in einem anderen Alter und damit gereift und mit anderen Problemen zeigt. Durch die Digitalisierung können verschiedene Medien je einen eigenen Aspekt der Geschichte in den Vordergrund stellen. So könne ein „Kosmos aus Mythen, Figuren, Orten und Artefakten“ gebaut werden, heißt es in den Leitlinien. Es können durch transmediale Erweiterung der Geschichten Kinder erreicht werden, die nicht gern lesen, aber gern spielen.

Die Forscher warnen aber davor, „Kinder mit überfordernden und ängstigenden Medieninhalten“ zu konfrontieren: Bei neuen Technologien wie Alternate Reality Games (siehe Lexikon) verschwimmen Fiktion und Realität. Dadurch können sich neue Formen der Teilnahme ergeben, die unbedingt den kognitiven, motorischen und sozialen Fähigkeiten der Kinder entsprechen müssen. Diesen muss immer bewusst sein, dass es sich um ein Spiel handelt.

LEXIKON

Alternate Reality Games (ARG) setzen auf Interaktion und Live-Elemente entlang einer Zeitleiste. Durch die Verlängerung und Transformation ins wirkliche Leben, z. B. auf Facebook, können fiktionale Figuren als Realität erscheinen. Da Teilnehmer die Geschichten mitgestalten, entwickeln sie Eigendynamik. Es ist mit Kontrollverlust zu rechnen, der bei jungen Teilnehmern durch eine starke Spielführung aufgefangen werden muss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2017)

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