Klare Informationen aus dem „Datenspielplatz“

CNC-Drehmaschine
CNC-Drehmaschine(c) imago/Jürgen Heinrich (imago stock&people)
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Durch die systematische Analyse von Maschinendaten wollen Wiener Forscher in Fertigungsprozessen schlummernde Effizienzreserven aufdecken.

Kaum ein Fachkongress der Produktionswirtschaft, der ohne die Schlagworte Big Data oder maschinelles Lernen auskommt: Zumindest die Vorstellungskraft davon, welchen Nutzen neue Prozesslogiken aus der Nutzung von Datenanalysen bringen werden, ist in der Industrie schon einmal mobilisiert. Was bislang fehlte, waren Pragmatiker der Disziplin Maschinenbau, die sich auch vorwagten in die Datensätze, um daraus Gesetzmäßigkeiten abzuleiten.

Ein Team um den Produktionsforscher Burkhard Kittl, TU Wien, machte nun den Anfang: Mit dem Ziel spürbarer Produktivitätssteigerungen für Fertigungsverfahren wie Bohren, Fräsen oder Drehen erfasste und analysierte Kittls Truppe ganzheitlich Maschinen-, Werkstück- und Werkzeugdaten eines Bearbeitungszentrums der Marke Emco. Ein Fazit: Neben einfachen statistischen Verfahren wie der Erhebung von Mittelwert und Standardabweichung erwiesen sich bei der Datenanalyse auch komplexere Algorithmen „als überaus hilfreich“, sagt Iman Ayatollahi, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik.

Steuerung angezapft

Um die größten Hebel zur Senkung der Bearbeitungszeiten oder Erhöhung der Werkzeughaltbarkeit zu identifizieren, mussten die Wiener die Daten erst einmal aus der Maschinensteuerung extrahieren. Sie behalfen sich mit der Schnittstelle MTConnect, einem offenen, dank seiner einfachen Datenstruktur relativ gut beherrschbaren Standard.

Über Wochen und Monate fütterten die Produktionsforscher ihre Datenbank mit Ereignisdaten aller Art: Werkzeugeinstelldaten sowie Vorschub- und Schnittgeschwindigkeiten fanden ebenso Aufnahme in den Datenspeicher wie Arbeitspläne. Auf rund 50 Parameter bringt man es – konservativ geschätzt – bei Werkzeugmaschinen, die ausgelesen und zum Teil auch kombiniert erfasst werden können. „Da reden wir noch gar nicht von Schwingungs- oder Temperaturdaten“, heißt es an der TU Wien. Würde man davon nur einen Bruchteil kombiniert betrachten, „könnte das so manches noch zu hebende Potenzial aufdecken“, ist sich Projektassistent Benjamin Mörzinger sicher.

Schon die Betrachtung einzelner Datenströme stützt den Befund, dass noch Reserven in Fertigungsprozessen schlummern.

Aufbau eines Datenspeichers

Bisher behelfen sich Betriebe beim Thema Werkzeugverschleiß häufig noch mit Schätzungen. Über die exakte Erfassung der aggregierten Betriebszeiten des Werkzeugs könnten Unternehmen jedoch auf die Sekunde genau erfassen, wie lange es schon im Einsatz ist.

„Die Steuerung liefert punktgenau die Information, wann ein Werkzeugwechsel zu erfolgen hat“, sagt Ayatollahi. Bezieht man die Spindelleistung in diese Betrachtungen ein, ließen sich auch Ineffizienzen des Fertigungsprogramms, und damit unproduktive Phasen, ausmachen. Der nächste Schritt der Wiener: der Aufbau einer semantischen Prozessdatenbank, an die 20 Maschinen und Versuchsstände des Instituts als Datenlieferanten gekoppelt sein sollen. Einen passenden Namen gibt es schon – die Forscher sprechen von einem „Datenspielplatz“.

LEXIKON

Maschinelles Lernen ermöglicht

– als Teilbereich der Künstlichen Intelligenz – IT-Systemen auf Basis vorhandener Datenbestände und Algorithmen das Identifizieren von Gesetzmäßigkeiten: In weiterer Folge wird dadurch Wissen generiert. Eine Vorbedingung für die Analyse verknüpfter Informationen ist die Verdichtung üblicherweise großer Datenmengen in Datenbanken – im Produktionsumfeld etwa durch das selektive Auslesen von Informationen aus Maschinen- oder Anlagensteuerungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2017)

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