Warum Schimpansen an der Grenze patrouillieren

Symbolbild: Ein Schimpanse.
Symbolbild: Ein Schimpanse.(c) AFP (GUILLAUME SOUVANT)
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Sie sind soziale Primaten wie wir – aber worauf baut ihre Moral? Und kennen sie Mitgefühl?

Wie hilfsbereit sind unsere nächsten Verwandten im Tierreich? Und wenn sie einander helfen, tun sie's aus Mitgefühl oder aus Berechnung? Das ist schon bei Menschen nicht leicht zu entscheiden, im Fall der Schimpansen sind die Wissenschaftler uneins. Vor allem Forscher um Michael Tomasello – bekannt für Arbeiten über Spiegelneuronen – neigen dazu, den Schimpansen die Empathie abzusprechen: 2016 erklärten sie in Nature Communications (20. 12.), dass die Affen ihresgleichen weder helfen noch schaden wollen, das sei ihnen schlicht egal.

Aber offenbar merken sie sich, wenn ihnen ein Artgenosse geholfen hat – und belohnen die Hilfe später. Das zeigten die Forscher um Tomasello, indem sie die Schimpansen vor die Wahl stellten, sich selbst und einen Kollegen oder nur sich selbst mit Nahrung zu versorgen. Sie entschieden sich für die altruistische Variante, auch wenn sie ihnen einen Nachteil brachte, wenn dieser Kollege ihnen davor geholfen hatte.

Ebenfalls in Pnas (19. 6.) berichten Forscher um Kevin Langergraber (Arizona State University) über ein anderes soziales Verhalten von Schimpansen, das uns ziemlich militärisch anmutet: Männchen patrouillieren gemeinsam an der Grenze des Territoriums der Horde, manchmal wagen sie sich in fremde Gebiete. Wenn ihnen dabei Schimpansen einer anderen Horde begegnen, dann attackieren sie diese, töten sie manchmal sogar.

Vorteile für die Gruppe

Diese Patrouillen sind stressig und gefährlich. Warum nehmen dann so viele daran teil? Die Forscher werteten Beobachtungen und Genanalysen im Nationalpark in Uganda über einen Zeitraum von 20 Jahren aus. Ergebnis: Die Grenzaktivitäten helfen erstens, das Territorium und auch die Gruppe zu vergrößern; zweitens erhöhen sie die Lebenserwartung der Mitglieder der Gruppe. Beides erhöht den Fortpflanzungserfolg aller Individuen. Allerdings haben Männchen, die nicht an den Patrouillen teilnehmen, offenbar keine Sanktionen zu erwarten: Warum entziehen sich dann nicht mehr dieser Aufgabe und genießen trotzdem die Vorteile? Anders gefragt: Wie halten die Schimpansen die (militärische) Moral aufrecht? Offenbar werden die Teilnehmer von den Weibchen bevorzugt: Sie zeugten mehr Nachkommen als Nichtteilnehmer. (tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2017)

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