Climategate: Der schmutzige Kampf um die Erderwärmung

Gletscher in Chile
Gletscher in Chile(c) EPA (Ian Salas)
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1073 gestohlene E-Mails decken dubiose Machenschaften bei Klimaforschern auf. Gegner der globalen Erwärmung sollen diskreditiert, Publikationen boykottiert werden, Daten werden mit "Tricks" beschönigt.

In der Klimaforschung herrscht dicke Luft. Seit am Wochenende Tausende E-Mails und Dokumente von den Servern der britischen Climate Research Unit (CRU) entwendet und öffentlich zugänglich gemacht wurden, ist die Schlacht zwischen Befürwortern und Gegnern der Ansicht, dass der Mensch für globale Erwärmung verantwortlich ist, neu entfacht. In den 1073 E-Mails, die auf einer Website chronologisch von 1996 bis 2009 gelistet werden, geht es zum Teil um die Diskreditierung von Erwärmungs-Skeptikern, das Geheimhalten von Informationen und den Boykott von wissenschaftlichen Publikationen. Beteiligt sind prominente Klimaforscher aus den USA und Großbritannien. Veröffentlicht wurden auch 3485 Dokumente des CRU, die Daten aus Experimenten, Studien und diverse Publikationen enthalten.

Climategate

In englischsprachigen Medien wird die Angelegenheit bereits als "Climategate" tituliert. In Blogs ist das Triumphgeheul der Erwärmungs-Skeptiker groß. Doch was steht wirklich in den E-Mails? DiePresse.com konnte die Dokumente einsehen, deren Echtheit noch nicht hundertprozentig garantiert werden kann. Tatsächlich schreibt darin etwa Phil Jones, Leiter der CRU, dass er einen "Trick" angewendet hat, um einen Temperatursturz zu verstecken.

»I've just completed Mike's Nature trick of adding in the real temps to each series for the last 20 years (ie from 1981 onwards) amd from 1961 for Keith's to hide the decline.«

Phil Jones

Nicht Kanone, sondern Atompilz

| Wie gefährdet ist der Lebensraum der Eisbären?
| Wie gefährdet ist der Lebensraum der Eisbären?(c) AP (Steve Amstrup)

Die Frage ist, was mit "Trick" wirklich gemeint ist. Kritiker sehen bereits nicht mehr nur "eine rauchende Kanone" sondern "einen Atompilz", wie der Klimatologe Patrick Michaels gegenüber der New York Times erklärte. Dem hält Michael Mann von der Universität Pennsylvania entgegen, dass damit lediglich eine elegante Methode gemeint sei, um ein Problem zu lösen. Von ihm selbst stamme dieser "Trick" und damit sei nicht gedacht, irgendetwas zu verstecken. Mann bestätigt damit die Echtheit zumindest dieses einen E-Mails.

"Publikation von Dreck"

Was in Wahrheit schwerer wiegt als die Möglichkeit, dass Forscher ihre Daten beschönigt haben, ist die Tatsache, dass die Gruppe um Jones und Mann anscheinend versucht hat, wissenschaftliche Publikationen zu schädigen. So schreibt etwa Tom Wigley in einem der E-Mails, dass Hans von Storch, damaliger Redakteur des Journals Climate Research, "die Publikation von Dreck fördert". In einem anderen E-Mail wird zu einem Boykott des Journals aufgefordert. Michael Mann spricht in einem E-Mail auch von einem "Coup" innerhalb von Climate Research. Konkret geht es um Studien, die offenbar die Erwärmungstheorien widerlegen oder zumindest als nicht so aussagekräftig bezeichnen. Hans von Storch erklärte, dass die in den E-Mails aufgezeigten Methoden zu weit gingen. "Sie spielen Wissenschaft als Machtspiel", sagte er zum Wall Street Journal.

»Hans von Storch is partly to blame -- he encourages the publication of crap science 'in order to stimulate debate'. One approach is to go direct to the publishers and point out the fact that their journal is perceived as being a medium for disseminating misinformation under the guise of refereed work. I use the word 'perceived' here, since whether it is true or not is not what the publishers care about -- it is how the journal is seen by the community that counts.«

Tom Wigley

Erde seit 1998 abgekühlt

Dazu passt ein E-Mail, in dem sich Jones davor fürchtet, wenn bekannt werden würde, dass die Erde sich von 1998 bis 2005 abgekühlt hat. 2009 schreibt sein Kollege Kevin Trenberth, dass man derzeit für das Ausbleiben der Erderwärmung keine Erklärung habe. Jones schien offenbar auch erpicht darauf, Fakten geheim zu halten. Er ruft Kollegen dazu auf, Anfragen nach Offenlegung von Daten zu ignorieren und bittet etwa Mann, gewisse E-Mails zu löschen. Wie SciencInsider berichtet, könnte die Löschung sogar eine strafbare Handlung sein. Informationen zu löschen, deren Offenlegung unter dem "Freedom of Information Act" beantragt wurden, sei laut UK-Recht ein kriminelles Vergehen. Offenbar fehlt den Forschern eine Erklärung für den Abwärtstrend der vergangenen zehn Jahre. Daher versuchen sie, diese Information möglichst geheim zu halten. Andernorts schreibt Jones aber wieder, dass er sich auch vom Gegenteil der Erwärmung überzeugen lassen würde, wenn er genug Beweise vorliegen hätte.

»The scientific community would come down on me in no uncertain terms if I said the world had cooled from 1998. OK it has but it is only 7 years of data and it isn't statistically significant.«

Phil Jones

Kritiker mundtot machen

Viele der Nachrichten behandeln auch Kritiker und wie man mit ihnen umgehen soll. Der bereits erwähnte Patrick Michaels ist ebenfalls Gegenstand der Korrespondenzen. So wird erwägt, wie man ihn aufgrund von Fehlern in seiner Dissertation in der Öffentlichkeit diskreditieren kann. In einem anderen E-Mail schreibt Michael Mann, man soll auf "Unterstützer in höheren Positionen" vertrauen, um gegen Skeptiker wie Stephen McIntyre vorzugehen. McIntyre betreibt den Blog Climateaudit und hinterfragt seit Jahren bisher anerkannte Studien.

Manipulation bei wissenschaftlichen Publikationen

| Kein Eis, sondern Wasser am Nordpol
| Kein Eis, sondern Wasser am Nordpol(c) AP (MALCOLM C. MCKENNA)

Anerkannt heißt in der wissenschaftlichen Gemeinde, dass Studien von Begutachtern bewertet werden (Peer Review), bevor sie zur Publikation zugelassen werden. Normalerweise sollte diese Bewertung objektiv erfolgen. Aus den E-Mails geht aber hervor, dass das nicht immer der Fall ist. Es stellt sich dadurch auch die Frage, ob Studien der Erwärmungsgegner mutwillig blockiert wurden, weil sie dem herrschenden Dogma widersprechen. Unter vorgehaltener Hand sprechen Wissenschaftler von "business as usual" beim Publikations-Prozess.

Unabhängige Untersuchung gefordert

Inzwischen werden Stimmen laut, die im Öffentlichmachen der E-Mails keinen Diebstahl sehen, sondern den Versuch eines Whisteblowers, Missstände in der Klimaforschung im Allgemeinen und in der Climate Research Unit im Besonderen anzuprangern. Inzwischen fordert auch der britische Lord Lawson eine unabhängige Untersuchung der Materie. Immerhin sei viel britisches Steuergeld in das Institut geflossen. Lord Lawson ist Gründer der "Global Warming Policy Foundation", einer Denkfabrik, die gültige Ansichten zur Erderwärmung skeptisch betrachtet. Inzwischen hat sich auch der US-Kongress eingeschaltet. Wie das Wall Street Journal berichtet, sollen die Dokumente und E-Mails untersucht werden.

E-Mails "aus dem Zusammenhang gerissen"

In der Zwischenzeit wehren sich die Forscher der CRU und ihre Partner. Phil Jones bezeichnet die E-Mails als "aus dem Zusammenhang gerissen" und auch seine Kollegen beharren darauf, dass damit nicht bewiesen sei, dass die globale Erwärmung nur erfunden wäre. Dazu kommt noch, dass in wenigen Wochen die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen steigt. Die Forscher sehen in der Veröffentlichung der Daten einen Versuch, ihre Ergebnisse zu torpedieren. Fakt ist, dass die E-Mails vor allem viele menschliche Schwächen zeigen. NASA-Klimaforscher Gavin Schmidt drückt es so aus: "Newton mag ein Arsch gewesen sein, aber seine Gravitationstheorie funktioniert immer noch."

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