Über Blei stürzte das ewige Rom nicht - aber über Antimon?

Der römische Kolosseum.
Der römische Kolosseum.(c) APA
  • Drucken

In den Sedimenten von Ostia und des noch älteren Hafens Portus ist die Geschichte Roms archiviert, im Blei aus den Wasserleitungen. Bedrohlich waren die Gehalte im Trinkwasser nie. Aber ein Fund in Pompeji deutet auf ein anderes Gift.

Am 24. August 410 drangen Alarichs Goten in Rom ein, 800 Jahre war das keinem gelungen, nun fiel die ewige Stadt an einem Tag. Das lag an äußeren Faktoren wie der Völkerwanderung, aber die frühere Weltmacht war auch zerrüttet, von Dekadenz, und, einer Hypothese zufolge, von Blei: Die römische Aristokratie habe das giftige Schwermetall in solchen Mengen zu sich genommen, dass sie fortpflanzungsmüde geworden sei.

Das wurde 1909 erstmals ins Spiel gebracht, 1983 machte es weltweit Schlagzeilen: Rom sei an chronischer Bleivergiftung zugrunde gegangen, publizierte der US-Arzt Jerome Nriagu im wichtigsten aller Medizin-Journals – New England Journal of Medicine –, und der Metropole der Neuzeit, New York, drohe das gleiche Schicksal: In Rom sei das Blei aus den Wasserleitungen gekommen und mit gesüßtem Wein. Aber so viel tranken die Römer auch wieder nicht, und die Bleirohre der Wasserleitungen setzten rasch Kalk an. Mit Rom hatte Nriagu unrecht, sein Ziel jedoch erreichte er: In New York war die Luft voll Blei – es stört die Gehirnentwicklung –, es kam aus den Auspuffen, verbleites Benzin wurde bald verboten.

Bürgerkrieg setzte Wasserleitungen zu

Das Blei in Rom richtete weniger an, und seit einiger Zeit macht es sich sogar nützlich, als Archiv. In das dringt Hugo Delile (Lyon) immer tiefer ein: Er zieht Bohrkerne aus Portus, dem ersten römischen Hafen, und aus Ostia, dann misst er die Bleigehalte im Sediment – und zwar an Isotopen, an denen man unterscheiden kann, ob das Blei mit dem Wasser aus dem Apennin kam oder durch die Rohre in Rom –, über den Kohlenstoff darin datiert er. Damit kann er zum einen bestätigen, was man aus historischen Quellen schon über die Geschichte der Stadt weiß: Etwa die Bürgerkriege im 1. Jahrhundert v. Chr., sie setzten auch der Wasserversorgung zu, die Bleigehalte gingen stark zurück, dafür stiegen sie mit dem Prosperieren in der frühen imperialen Periode im ersten Jahrhundert n. Chr. auf ihren Höhepunkt.

Aber Delile kann Klarheit auch in frühere Zeiten bringen, über die es kaum Aufzeichnungen gibt: Installiert wurden die Leitungen aus Blei im frühen ersten Jahrhundert v. Chr. Da wurde Rom schon 150 Jahre lange mit Wasser von weit her versorgt – Aquädukte zeigen es –, es wurde offenbar zunächst über Rohre aus Ton verteilt (Pnas 28. 8.).
Aber am späteren Blei ging Rom eben nicht zugrunde. Woran dann? Auf eine böse Überraschung ist Kare Lund Rasmussen (Odense) in Pompeji gestoßen (Toxicology Letters 2017.07.876). Auch dort gab es Wasserleitungen aus Blei, Rasmussen hat ein Stück analysiert und im einen Gift ein zweites gefunden: Antimon, ein Halbmetall, das Erbrechen und Durchfall bringt und Leber und Niere schädigt, gar das Herz still stehen lassen kann: „Die Gehalte waren hoch und definitiv problematisch für die alten Römer“, schließt Rasmussen: „Ihr Trinkwasser muss ausgesprochen gefährlich gewesen sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.