Eine Datendrehscheibe für Mediziner

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Noch läuft der Austausch von Befunden unter Kliniken und Arztpraxen häufig nicht rund. Mit einer neuen Software sollen die für den Behandlungserfolg so wichtigen Daten nun effizienter zirkulieren.

Sanftes Kunstlicht strömt durch den spartanisch eingerichteten Besprechungsraum. Nur an den Wänden hängen auffällige Präsentationsschirme. Sogenannte Tumorboards, Meetings, in denen Spezialisten der Fachbereiche Onkologie, Pathologie, Radiologie sowie Chirurgie zur Beratung zusammentreffen, sollen klare Verhältnisse schaffen. Liegt eine Tumorerkrankung vor? Falls ja, in welchem Stadium befindet sich diese? Welcher Behandlungsweg ist einzuschlagen? Häufig werden externe Spezialisten per Videokonferenz zugeschaltet. Unter ihrem Beisein werden Krankenakten geteilt, Befunde studiert und Schlüsse gezogen.

Auch Mediziner orten Mängel

Doch der reibungslose Informationsaustausch über Standorte und Informationssysteme hinweg, man spricht von Interoperabilität, sei „eine Herausforderung“, beobachtet Reinhard Egelkraut. Er ist Produktmanager bei CGM Clinical Österreich, einer Tochter des Koblenzer Medizinsoftwareherstellers CompuGroup Medical. Was das Problem verschärft: Unterschiedliche Krankenhaus- oder Arztinformationssysteme gibt es mittlerweile sonder Zahl.

Zur Untermauerung seiner These holte sich Egelkraut wissenschaftlichen Beistand. Im Zeitraum von Dezember 2015 bis August 2016 führten Mitarbeiter der Fakultät für Informatik, Kommunikation und Medien der FH Hagenberg im von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützten Projekt „Kimbo“ Experteninterviews durch. Vier waren es an der Zahl, befragt wurden jeweils ein Mediziner des Krebszentrums Graz, des Krankenhauses der Elisabethinen Linz, jenem der Barmherzigen Schwestern in Linz sowie des Wiener Krankenanstaltenverbunds.

Von ausnahmslos allen Befragten als Problem identifiziert: Belastbare Fakten dritter, also Input durch praktische Ärzte oder Pharmazeuten, lassen sich für Tumorboards in zu geringem Ausmaß heranziehen. „Weil der automatisierte Import von Daten in Anwendungen des Boards häufig fehlt oder Schwierigkeiten macht“, heißt es im Projektteam.

Abhilfe soll nun eine webbasierte App schaffen. Mediziner spielen die Software auf ihre Rechner – einerlei, ob Desktop-PC, Notebook oder Tablet. Im Hintergrund tauscht diese sich mit allen gängigen medizinischen Informationssystemen aus und verschränkt die Daten.

Teil des Projekts ist die Entwicklung mehrerer Prototypen auf Basis HL7 FHIR, „einem schlanken, ressourcenbasierten Standard für den Austausch von Gesundheitsdaten“, schildert Oliver Krauss, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FH Hagenberg.

Vorbefunde herausholen

Bereits demonstriert wurde die grundsätzliche Lauffähigkeit einer solchen – in der Programmiersprache Java geschriebenen, auf Basis der grafischen Prozessbeschreibungssprache BPMN modellierten – Software.

Ebenso ist bereits geglückt, „Vorbefunde standardisiert aus elektronischen Patientenakten zu extrahieren“, sagt Krauss.

Das Thema Echtzeitkollaboration „birgt indes noch Herausforderungen“, sagt der CGM-Experte Reinhard Egelkraut. Eine davon sei die Übermittlung üppiger Datenpakete – etwa hochauflösende Radiologiedaten, die mehrere Gigabyte groß sind – an Teilnehmer von Tumorboards.

LEXIKON

Business Process Model And Notation(BPMN, zu Deutsch: Geschäftsprozessmodell und -notation) ist ein symbolbasierter Standard der Wirtschaftsinformatik. Er dient der grafischen Modellierung und Dokumentation von Arbeitsprozessen. Aufgaben werden durch Tasks dargestellt. Deren Abfolge wird durch Entscheidungspunkte (Gateways) und Kontrollverbindungen (Sequence Flow) festgelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2017)

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