Optik

Das Bild kommt von der Sensorfolie

So groß muss in Zukunft keine Fotokamera mehr sein. Einen Millimeter dünn kann die neuartige Folie sein, die Bilder scharf abbildet.
So groß muss in Zukunft keine Fotokamera mehr sein. Einen Millimeter dünn kann die neuartige Folie sein, die Bilder scharf abbildet. (c) REUTERS (Marcelo del Pozo)
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Eine Forschergruppe aus Linz hat einen Prototyp für eine Kamera gebaut, der ohne Linsen arbeitet und auf einer revolutionären Bildsensortechnologie basiert.

Sehr dünne, manchmal auch biegsame Elektronik-Bauteile sind seit einigen Jahren ein heißes Forschungsthema und wurden auch in verschiedener Form industriell umgesetzt, vor allem bei Bildschirmen. Neu ist, dass auch Kameras dünn und biegsam gebaut werden können. Eine Forschungsgruppe der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) hat es geschafft, die für die Optik nötige Linse durch eine Gitterstruktur zu ersetzen. Damit soll die Dicke der Kamera auf einen Millimeter reduziert werden.

„Wer von einer Kamera das Objektiv abschraubt und versucht, nur mit dem Bildsensor allein ein Bild zu machen, bekommt ein völlig unscharfes Ergebnis. Man braucht irgendeine abbildende Optik“, erklärt Oliver Bimber vom Institut für Computergrafik an der JKU. „Wir nutzen dafür eine ganz feine Gitterstruktur von Bereichen, die Licht blockieren und Licht durchlassen. Man darf sich das vorstellen wie ein Fliegengitter. Nur Licht, das wirklich senkrecht auf den Sensor trifft, wird durchgelassen“, so Bimber. Das Prinzip heißt „Kollimator“ (siehe Lexikon).

Prototyp aus dem 3-D-Drucker

„Der Prototyp, den wir hergestellt haben, ist aus dem 3-D-Drucker und noch ziemlich dick, sechs Millimeter“, sagt Bimber. „Damit gelingt es uns, Objekte bis zu einer Entfernung von etwa 13 Zentimetern scharf abzubilden. Gemeinsam mit dem Karlsruher Institute of Technology stellen wir gerade einen Prototyp her, der dieselben optischen Eigenschaften hat, aber nur 300 Mikrometer dünn ist.“ Um die Dicke zu reduzierten, müssen die Löcher verkleinert werden. Mit 3-D-Druck gehe das nicht mehr, das werde mit einer Röntgen-Lithografie-Technik gemacht. „Gemeinsam mit den beiden Sensor-Folien ist die gesamte Kamera dann nur noch einen Millimeter dick“, so Bimber.

Das Konzept basiert auf einer ebenfalls von Bimber und seiner Gruppe entwickelten Sensorfolie. Diese detektiert das Licht nicht dort, wo es auftrifft, sondern leitet es an den Rand. „Ein normaler Bildsensor funktioniert so, dass man wirklich an jedem Pixel, an jedem Ort die Helligkeit misst. Wir hingegen messen das Licht an den Rändern“, sagt Bimber. Daraus könne, analog zur Funktionsweise eines Computertomografen, mithilfe mathematischer Methoden das Bild rekonstruiert werden.

Um ein farbiges Bild zu erhalten, werden zwei Folien kombiniert, die blaues und grünes Licht messen. „Die rote Wellenlänge können wir rekonstruieren, dahinter steht ein Machine-Learning-Verfahren.“ Dieses wurde unter Verwendung von Millionen von Bildern aus öffentlichen Datenbanken wie Flickr entwickelt. Das Konzept wurde voriges Jahr publiziert.

Transparenz bringt Vorteile

„An dieser Folie arbeiten wir bereits seit sechs Jahren“, so Bimber. Der Kollimator macht daraus eine voll funktionsfähige Kamera. „Wir haben nun also eine Kunststofffolie, die eine beliebige Größe haben kann, eine beliebige Form und genau das macht, was eine Kamera tut. Diese können wir nun um Objekte herumlegen, etwa im Innenbereich von Fahrzeugen, und damit Benutzerschnittstellen erzeugen.“

Ein großer Vorteil sei die Transparenz der Folie. „So lassen sich zum Beispiel automatisch analoge Stromzähler auslesen. Normale Kameras sind dafür nicht verwendbar, weil sie den Sichtkontakt zu den Zahlen verdecken.“ Es gibt eine Reihe anderer Anwendungen, die unter dem Stichwort „Smartskin“ laufen. Bimber hat das Konzept gemeinsam mit seinem Kollegen Alexander Koppelhuber in der Fachzeitschrift „Optical Express“ veröffentlicht.

Lexikon

Ein Kollimator ist ein optisches Hilfsmittel, um aus Streulicht nur paralleles Licht herauszufiltern. Kollimatoren können ohne Linsen auskommen und arbeiten nach einem simplen Prinzip: Wer die Welt durch ein dünnes Rohr beobachtet, sieht immer nur einen winzigen Ausschnitt, quasi ein Pixel. Ein Kollimator ist im Prinzip eine große Menge solcher Rohre, verbunden zu einer Wabenstruktur. Kollimatoren finden Anwendung in der Röntgenoptik oder bei Teilchenstrahlung, die eine Linse nicht durchdringen kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2017)

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