Publikationspraxis

Augenbinden für Beurteiler von Forschungen?

Symbolbild: Blindtest.
Symbolbild: Blindtest.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Beim „Peer Review“ wissen Reviewer, wen sie bewerten. Es gibt Vorstöße, das zu ändern. Auf viel Gegenliebe stoßen sie nicht, und milder werden die Urteile dadurch auch nicht, ganz im Gegenteil.

Wenn ein Medikament in einen klinischen Test geht – oder andere Experimente an Menschen durchgeführt werden –, ist es längst Usus, dass das Verfahren „doppelblind“ durchgeführt wird: Die Testpersonen wissen nicht, ob sie das Medikament nehmen oder ein Placebo, die Ärzte wissen es auch nicht, so will man den Einfluss subjektiver Befindlichkeiten minimieren.

Wenn aber das Ergebnis eines solchen Tests dann publiziert wird, ist es meist ganz anders: Forscher schicken Manuskripte an Journals, Nature etwa, dort entscheidet zunächst der hauseigene Sachverstand, was in Frage kommt. Über dessen weiteres Schicksal befinden „peers“ – fachkundige Kollegen der Manuskriptverfasser –, und dabei geht es ganz unterschiedlich zu. In Extremfällen kann sich etwa der Manuskriptverfasser die „reviewer“ aussuchen, so hält es das Organ der US-Akademie der Wissenschaften, Pnas, auf diesem Weg brachte gerade Gen-Hexer Craig Venter dort etwas unter, was „peer reviewer“ von Nature abgelehnt haben.

So etwas zurückzuwerfen, ist nicht leicht, Venter hat einen großen Namen. Aber nicht nur der spielt mit, der der Universität tut es auch, selbst der des Landes, in dem sie ist, möglicherweise hat auch das Geschlecht einen Einfluss auf die Reviewer (2007 legte eine Studie das nahe, ein Jahr darauf kam eine Gegenstudie). All diese Informationen haben Reviewer im herkömmlichen Verfahren, es ist „einfach verblindet“, auf Seiten der Beurteilten, die wissen nicht, wer reviewt (natürlich ahnen sie es, in vielen Feldern ist die Spezialisierung so hoch, dass nur wenige Kollegen in Frage kommen).

Aber weil die Reviewer eben alles wissen, gibt es seit einigen Jahren Anläufe, auch Peer Review doppelblind zu machen, die Nature-Gruppe etwa bietet Manuskripteinreichern seit 2013 die Wahl. Nun wurde auf einem Kongress bilanziert: Von 106.373 zwischen März 1915 und Februar 2017 eingereichten Arbeiten wählten die Verfasser in nur 12 Prozent der Fälle ein doppelblindes Verfahren, bei höherwertigen Journals etwas mehr, bei Forschern aus weniger etablierten Ländern, Indien und China, viel mehr, 32 bzw. 22 Prozent, das Geschlecht spielte nicht hinein (ScienceNow 22. 9.).

Doppelblind halbiert Erfolgsrate fast

Warum so wenige? Der Wunsch könne den Verdacht wecken, man habe etwas zu verbergen, mutmaßt Mark Burgman, Herausgeber des Journals Conservation Ecology, das 2014 auf solche Reviews umstieg. In der Hauptsache aber liegt es an Banalerem: Wer eine Arbeit einreicht, bezieht sich darin auf frühere Arbeiten. Und wenn es doch doppelt blind geht? Viele Forscher erhoffen sich davon verbesserte Chancen. Aber es ist umgekehrt: Im halbblinden Peer Review kommen 44 Prozent der Arbeiten durch, im doppelblinden nur 25.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2017)

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