Zentrales Rätsel der Frauen bleibt ungelöst

APA/dpa/Julian Stratenschulte
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Keine Hypothese kann die Menopause erklären.

Das Leben von Menschen läuft anders als das der meisten anderen Säugetiere: Zum Ersten werden sie allesamt älter, und zum Zweiten ist bei den anderen die Spanne des Lebens bei beiden Geschlechtern identisch mit der der Reproduktion. Die halbe Menschheit hingegen stellt im Alter zwischen 45 und 55 Jahren die Reproduktion ein, dann gehen Frauen in die Menopause, dann können sie auf direktem Weg nichts mehr beitragen zu dem, worüber Theologen und Biologen sich einig sind: „Seid fruchtbar und mehret euch!“

Direkt können Frauen nach der Menopause dazu nichts beitragen, sie müssen es indirekt tun, 1957 hatte George Williams (Michigan State University) eine Idee: Wenn Frauen die Fähigkeit zur eigenen Reproduktion einstellen, können sie ihre Töchter – und deren Reproduktion – unterstützen, indem sie sie partiell von der Hege ihrer Kinder freistellen, bei der Versorgung der Enkel helfen, materiell und mit Zuwendung.

Das wurde später zur Großmutter-Hypothese ausgebaut, aber der Nachweis war schwierig, und bald stellten sich konkurrierende Hypothesen ein: Die eine, die von der inter-age correlation, setzt darauf, dass die ganze Menschheit immer älter wird, weil sie Genvarianten entwickelt, die sie in der reproduktiven Phase stärken und die im Alter wirksam bleiben. Die andere, die von der inter-sex correlation, läuft über die Männer, die mithilfe der Technik – etwa der Waffen – auch in höherem Alter noch um Frauen konkurrieren können.

So werden sie immer älter, und die dafür zuständigen Genvarianten geben sie auch an die Töchter weiter, deshalb heißt diese Idee auch Patriarchen-Hypothese. Und welche von den dreien simmt nun? Keine, das ist der jüngste Befund, gewonnen hat ihn Jacob Moorad (Edinburgh) an Registern, die im US-Bundesstaat Utah seit 1874 sorgsam aufzeichneten, wann jemand geboren wurde und wann er starb, und ob und wann er heiratete und wie viele Kinder und Kindeskinder dem entsprangen, das ist für die Biologen das entscheidende Maß: Fitness.

Moorad wählte den Untersuchungszeitraum sorgsam, er nahm die Geburtsjahrgänge 1860 bis 1899, er ist theoretisch ideal, vor allem zum Prüfen der Großmutter-Hypothese: Man lebte in Großfamilien – nicht etwa in Patchworks wie heute –, und die moderne Medizin schlug noch nicht durch, weder lebensverlängernd noch mit Empfängnisverhütung. Zudem darf man davon ausgehen, dass in dieser Kultur die Jüngsten die waren, in die alles investiert wurde, es gibt andere Kulturen, in denen das die Ältesten sind, dort kann die Großmutter-Hypothese nicht gelten, das war ein häufiger Einwand.

Großmütter? Patriarchen? Weder noch!

Obwohl dieser Einwand für die Bewohner Utahs – Mormonen – nicht zutreffen kann, hat sich kein Fitnessgewinn für bzw. durch Großmütter gezeigt. Sie sind auch nicht älter geworden, anders als die Männer, die pro Jahrzehnt 0,13 Jahre zulegten und sich stärker mehrten. Das bzw. diese Genvarianten verhalfen aber nur ihren Söhnen zu höherem Alter und mehr Fitness, die Töchter profitierten nicht (Nature Ecology & Evolution 9. 10.). Moorad kann über seinen Befund nur die Schultern zucken: „Das Mysterium des postreproduktiven Überlebens hat sich vertieft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2017)

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