In Cheops' Pyramide ist noch eine Kammer

Cheops-Pyramide
Cheops-PyramideAPA/AFP/KHALED DESOUKI
  • Drucken

Kernphysik. Mit der Hilfe von Detektoren für kosmische Strahlung bzw. ihre Produkte konnte gezeigt werden, dass über der Großen Galerie ein bisher unbekannter Raum von ähnlichem Ausmaß ist. Nun müsste man nur noch hinkommen.

Über 3800 Jahre lang war sie das größte Bauwerk, das die Menschheit je errichtet hatte, gefügt aus Steinen – bis zu 80 Tonnen schwer –, die zum Teil über 800 Kilometer aus Assuan herbeigeschafft wurden und so exakt behauen waren, dass sie fast fugenlos zusammengefügt werden konnten: die Pyramide des Khufu (gräzisiert: Cheops). Er regierte von 2509 bis 2483 vor Christus, das steht fest, und er soll übel regiert haben und so raffgierig gewesen sein, dass er die eigene Tochter im Bordell Geld verdienen ließ und zum Bau seines Grabmals „immer zehnmal zehntausend Menschen“ zwangsrekrutiert hat. Allein der Bau der Straßen zum Transport der Steine habe zehn Jahre gedauert, der der Pyramide dann zwanzig.

So überlieferte es Herodot, der 2000 Jahre später zum Besichtigen gekommen war, der Weltwundertourismus florierte damals schon, die Pyramidenführer hatten viel zu tun, sie übersetzten dem Gast etwa eine Inschrift, derzufolge allein für „Rettiche und Zwiebeln und Knoblauch für die Betreuung der Arbeiter sechshundert Talente Silber“ fällig waren. Und sie erzählten ihm, wie das Mirakel technisch gelingen konnte: mit Hebewerken, die auf der je obersten Ebene platziert wurden, bis der Schlussstein in 146,7 Metern saß (heute sind es 138,8, durch Erdbeben und Erosion).

2,5 Millionen Kubikmeter röntgen?

Ob die Beschreibung stimmt, ist unbekannt, über die Bautechnik gibt es viele Hypothesen. Auch darüber, ob man schon alles über das Innere des Mausoleums weiß: Bekannt sind vor allem zwei große Kammern – die des Königs und die der Königin – und die Große Galerie, ein 46,68 Meter langer und 8,6 Meter hoher Raum. Man hat auch kleinere Schächte gefunden, zuletzt mit Roboterhilfe. Aber ist das alles, oder gibt es doch noch etwas? Wie soll man es in den 5,9 Millionen Tonnen bzw. 2,5 Millionen Kubikmetern Gestein finden? Man kann die Pyramide ja nicht in ein Röntgengerät stellen!

Aber sie steht ganz von selbst in einem bzw. etwas Analogem, einer Strahlung, die vom Himmel kommt, der kosmischen. Sie heißt nur Strahlung, besteht aber aus hochenergetischen Teilchen aus den Tiefen des Weltraums. Wo sie wirklich herkommen, ist nicht recht klar – zuletzt deutete viel auf Supernovas –, aber wenn sie in der Erdatmosphäre mit Gasen kollidieren, zerschlagen sie die Teilchen in kleinere, vor allem Myonen. Diese rasen fast mit Lichtgeschwindigkeit ungebremst durch die Luft, aber wenn sie auf festes Gestein stoßen, werden manche abgebremst bzw. abgefangen.

Dass man das als Messinstrument nutzen kann, wurde erstmals 1957 in einer tief in einem Berg liegenden Kraftwerkszentrale in Australien gezeigt: Man maß die Dicke der Deckschicht, indem man den Myonenfluss im Kraftwerk mit dem an der frischen Luft verglich. Später folgten andere Anwendungen – zuletzt gewann man damit ein klareres Bild der havarierten Atommeiler in Fukushima –, auch Archäologen nutzten das Instrument, in einer Pyramide in Mexiko und, 1970, in der des Cheops. Man fand nichts – „keine mit den bekannten Kammern im Volumen vergleichbare“ –, hatte allerdings nur 19 Prozent der Pyramide durchforstet (Science 167, S. 832).

Nun hat es eine Gruppe um Mehdi Tayoubi (Paris) neuerlich versucht, mit drei Detektortypen – zwei davon neu entwickelt –, sie wurden in den Kammern platziert, in so großen Abständen, dass man mit ihnen auch triangulieren konnte. Und sie wurden fündig, detektierten etwas, was der Großen Galerie ähnelt – so breit, wie sie ist, und 30 Meter lang – und über ihr liegt (Nature, 2. 11.):

„Unsere Entdeckung zeigt, dass Methoden, die in der Kernphysik entwickelt wurden, Licht in eines der wichtigsten Kulturerbe bringen können.“

Nun weiß man also, dass es noch einen großen Raum gibt. Aber wird man ihn je betreten können? Falls ja, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er so schwer zugänglich bzw. versteckt ist, dass er auch den Grabräubern entgangen ist, die die bekannten Kammern schon früh ausgeräumt haben.

DIE CHEOPS-PYRAMIDE

Sie ist die älteste und größte der Pyramiden von Gizeh, die zwischen 2620 und 2500 v. Chr. entstanden und das einzige erhaltene unter den sieben Weltwundern der Antike sind. Vermutlich wurde sie bereits in pharaonischer Zeit geplündert. Ihre Fehldeutung als Kornspeicher durch christliche Autoren hielt sich bis ins 15. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert begann ihre Erkundung durch europäische Forscher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.