Wurde Chopins Herz von Tuberkulose gebrochen?

Frédéric Chopin.
Frédéric Chopin.(c) Imago (Manuel Cohen)
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Ein Experten-Augenschein auf das in einer Kirche in Warschau aufbewahrte Organ bestätigt den alten Verdacht. Aber Zweifel bleiben.

Schwör mir, dass sie meinen Körper aufschneiden, damit ich nicht lebendig begraben werde!“ Das forderte Frédéric Chopin, bevor er 1849 mit 39 Jahren in Paris starb. Der polnische Komponist litt nicht nur an einer bösen Krankheit, sondern auch an Taphephobie, der damals verbreiteten Angst, scheintot ins Grab zu kommen, manche Särge hatten deshalb innen Klingelknöpfe. Und Chopin wollte eben auf einem anderen Weg sicher gehen. Seine Schwester kam dem Wunsch nach und ließ den Leichnam obduzieren, dann wurde der Großteil des Körpers auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris bestattet. Das Herz hingegen kam in ein Glasgefäß – und vermutlich in Cognac –, das kam in eine Holzschatulle, die Schwester schmuggelte es ins russisch besetzte Warschau. Dort wurde es 1879 in eine Säule in der Heilig-Kreuz-Kirche eingelassen: „Hier ruht das Herz von Frederick Chopin“.

Als Polen 1918 unabhängig wurde, wurde die Säule zum Nationalschrein: „Unsere ganze Vergangenheit singt in Chopin, unsere ganze Sklaverei weint in ihm“, intonierte Erzbischof Antoni Szlagowski 1926. Bald gab es wieder zu weinen, und die nächsten Besatzer hatten ein gespaltenes Verhältnis zu Chopin: Offiziell war seine Musik verboten, aber Generalgouverneur Hans Frank, der „Schlächter von Polen“, ließ sie zu, wenn der Komponist „Schopping“ genannt wurde. Und Erich von dem Bach-Zelewski, der SS-Offizier, der den Warschauer Aufstand bestialisch zusammenschlagen ließ, hatte auch einen Sinn für Kunst: Er rettete das Herz, er wollte es in einer pompösen Zeremonie dem polnischen Volk übergeben, vor laufenden Kameras.

Aber der Strom fiel aus. Seitdem ist das Herz wieder im Dunkeln, in jeder Hinsicht: Es ist unklar, woran Chopin gestorben ist, man vermutet vor allem Tuberkulose, sie plagte ihn von früh so sehr, dass es etwa einer Gräfin d'Agoult auffiel: „Chopin hustet mit unendlicher Anmut“. Er selbst nahm es auch bisweilen mit Humor: „Ehe ich mich morgens ausgehustet habe, ist es bereits zehn Uhr.“

Am Ende konnte er vor Schwäche nicht mehr gehen, komponieren schon lange nicht mehr. Aber ist er wirklich daran gestorben? Es gibt andere Kandidaten, Zystische Fibrose vor allem. Ein Blick auf das Herz könnte helfen, 2014 bot sich die Gelegenheit, ein Team um Michael Witt (Polnische Akademie der Wissenschaften) nahm sie wahr. Und hat jetzt publiziert, was ihm vor Agen kam: Das Herz zeigt eine Folge von Tuberkulose, eine Herzbeutelentzündung: „Diese Komplikation war vermutlich die Ursache des Todes“ (The American Journal of Medicine 11. 10.).
Vermutlich? Das Herz wurde nur in Augenschein genommen, es blieb in seinem Behälter, eine DNA-Analyse wurde von der Kirche und Chopins Familie verweigert. Nur sie hätte klären können, ob es Zystische Fibrose war. Und nur sie hätte klären können, ob das Herz überhaupt das von Chopin ist oder in den vielen Wirren ausgetauscht wurde.

Mails an: juergen.langenbach@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2017)

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