Die Bestrafung Asozialer sehen schon Kinder gern

Das Pochen auf Gerechtigkeit kommt früh, das tat es auch in der Evolution, bei Schimpansen.

Wenn man sieht, dass jemandem Gewalt angetan wird, erfassen einen Mitleid und/oder Schrecken: Das eine lässt zu Hilfe eilen, der andere treibt zur Flucht, auf dass einem selbst nichts geschehe. Wenn man aber sieht, dass jemandem verdiente Gewalt angetan wird, schaut man zu und kann nicht genug bekommen davon. Das mag hinter dem Massenpublikum öffentlicher Hinrichtungen bei uns in finsteren Zeiten und heute anderswo in der Welt stehen, reine Schaulust ist es nicht: Strafen, im Extrem körperliche, sind sozialer Kitt, mit ihnen sichern und bestätigen Gesellschaften ihre Normen.

Alle Gesellschaften: Quer durch die Kulturen regt sich früh ein Gerechtigkeitssinn, der unfaires Verhalten nicht dulden will. Wann kommt das in der individuellen Entwicklung, und wann kam es in der Evolution? Wir sind nicht die Einzigen, die sozial leben, auch unsere Cousins, die Schimpansen, tun es. Von ihnen hat Kognitionsforscherin Tania Singer (Leipzig) 17 ins Labor geholt und dort von Menschen zwei Szenarien vorspielen lassen: In beiden ging es zunächst darum, dass ein A einem B etwas Wertvolles so präsentiert, als wolle er es ihm geben. In der einen Variante tat er das dann auch, er zeigte sich prosozial, in der anderen tat er das asoziale Gegenteil und überreichte nichts. In beiden Fällen bekam er anschließend Prügel.

Die waren kurz zu sehen, dann schloss sich vor den Augen der Schimpansen eine Tür, die sie nur mit Kraft öffnen konnten. Die investierten sie dann und nur dann, wenn das antisoziale Verhalten bestraft wurde. Offenbar wollten die Schimpansen das sehen, mit welchen Gemütsregungen, weiß man nicht, man kann sie ihren Gesichtern schwer ablesen. Bei Menschen geht es, auch bei Kindern. Von denen bekamen einige im Alter von vier bis sechs Jahren im zweiten Experiment das Gleiche vorgespielt, mit Puppen in einem Kasperltheater, kurz nach Beginn der Prügel schloss sich der Vorhang.

Investition in Schadenfreude

Er öffnete sich wieder, wenn die Kinder ein Tauschobjekt investierten. Und das taten sie, wie die Schimpansen, wenn sie ein Alter von sechs Jahren erreicht hatten. Dann zeigen sie nicht nur Interesse, sondern auch Gefühl: Befriedigung und Schadenfreude (Nature Human Behaviour 18. 12.): „Unsere Befunde zeigen die evolutionären Ursprünge der gesteigerten Motivation, Bestrafung von antisozialem Verhalten mit anzusehen und – zumindest bei Menschen – Vergnügen dabei zu empfinden“, schließen die Forscher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2017)

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