Ephesos: Florierendes Leben in den Ruinen

Ephesos Florierendes Leben Ruinen
Ephesos Florierendes Leben Ruinen(c) ÖAI
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Die antike Metropole blieb auch in byzantinischer Zeit eine wichtige Stadt - wie österreichische Archäologen in der großen Bonner Byzanz-Ausstellung zeigen.

Das byzantinische Reich ist der direkte Nachfolger des römischen Imperiums. Europa hat dieser Kultur viel zu verdanken – als Brücke zwischen Antike und Neuzeit. Byzanz war seinerzeit das am höchsten entwickelte und reichste Land Europas, seine Prinzessinnen z.B. waren äußerst begehrt als Bräute für mitteleuropäische Fürsten – auch in Österreich. Die Bedeutung Byzanz' wird allerdings weiterhin unterschätzt – was Anlass genug für die umfassende Ausstellung „Byzanz – Pracht und Alltag“ war, die in Bonn zu sehen ist. Der Kurator Falko Daim, Generaldirektor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz, ist in Österreich kein Unbekannter: Bis 2003 forschte und lehrte der gebürtige Wiener an der Universität Wien.


Daim arbeitet die byzantinische Geschichte in elf thematischen Kapiteln auf – bei einem davon spielen österreichische Forscher die Hauptrolle: Anhand von Ephesos, der Hauptstadt der römischen Provinz Asia, die seit 1895 vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) erforscht wird, wird exemplarisch gezeigt, wie sich eine römische zu einer mittelalterlichen Stadt gewandelt hat. Ephesos war eine der bedeutendsten Städte der Antike – Schätzungen sprechen von bis zu 200.000 Einwohnern. Reich wurde sie durch den Handel, Kleinasien zählte zu den rohstoffreichsten Provinzen der antiken Welt.

Ein Destillat aus der langjährigen Ephesos-Forschung ist ein 3-D-animierter Film, der vom ÖAI gemeinsam mit der TU Darmstadt, der Akademie der Wissenschaften und dem Kunsthistorischen Museum Wien erstellt wurde. Grundlage für die Visualisierung ist ein Computermodell, das an der TU Wien auf Basis von 3-D-Laserscan-Daten gebaut wurde. Der Film ermöglicht nun einen Rundgang durch die Stadt und zeigt die Veränderungen im Stadtbild im Laufe der Jahrhunderte.

Ein großes Problem von Ephesos war stets das Wasser. In der Frühphase war es der steigende Grundwasserspiegel, später vor allem der Rückzug des Meeres infolge der tektonischen Hebung des Landes – heute liegt die ehemalige Hafenstadt rund zehn Kilometer von der Küste entfernt. Der Hafen verlandete durch Sedimente zusehends, in römischer Zeit gab es in der Stadt nur mehr ein Hafenbecken, das durch einen Kanal mit dem Meer verbunden war. Das Becken verschlammte immer mehr, auch weil die Wartung und Reinigung verabsäumt wurden.

Im Gefolge dieser Veränderungen – und auch wegen katastrophaler Erdbeben wie dem im Jahr 270 – verlagerte sich der Siedlungsschwerpunkt von Ephesos mit der Zeit. In der Spätantike wurde der römische Marktplatz aufgegeben, ein neues Stadtzentrum wurde in der Hafengegend errichtet – und zwar großteils aus Material der verfallenen römischen Bauten.


Manche Stadtviertel lagen mehr als ein Jahrhundert in Trümmern, bevor man die ruinöse Bausubstanz entweder renovierte oder entfernte. Die Infrastruktur war großteils zerstört, die Bevölkerungszahl stark zurückgegangen – doch die Stadt und ihre Bewohner ließen sich nicht unterkriegen: Zumindest bis in das siebente Jahrhundert blieb Ephesos eine wichtige Stadt – als Handelsmetropole, Verwaltungssitz und Pilgerzentrum. Schon in der Antike war das Artemision – eines der sieben Weltwunder – ein frommes Reiseziel ersten Ranges. Mit der Christianisierung änderte sich das nicht, andere Heiligtümer nahmen diesen Platz ein: etwa die Marienkathedrale, die in den hadrianischen Kaiserkultbezirk eingebaut worden war, das Siebenschläferheiligtum, die Paulusgrotte oder die Johannesbasilika.

Bis in das Spätmittelalter blieben diese Stätten beliebte Ziele für Pilgerreisen. Nach derzeitigem Wissensstand wurde Ephesos erst im 14. Jahrhundert endgültig verlassen – den Todesstoß gab der einstmaligen Weltstadt möglicherweise die Malaria.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2010)

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