»Genmarillen«: Eine unendliche österreichische Geschichte

An der Boku werden Obstgehölze gegen Viren immun gemacht. Eine Freisetzung der Pflanzen ist derzeit in Österreich nicht möglich.

Bis vor Kurzem hatten es die wohl berühmtesten und umstrittensten Marillen und Reben Österreichs ziemlich kalt: In einem Glashaus der Universität für Bodenkultur überdauerten die kleinen Bäumchen den Winter. Wenn sie nun im Frühling wieder austreiben, dann werden sie das aber nicht wie ihre Artgenossen in der Wachau tun können: Weil sie gentechnisch verändert sind, dürfen sie nicht freigesetzt werden. Das wäre aber unbedingt notwendig, erläutert die Pflanzenbiotechnologin Margit Laimer. „Die Freisetzung würde zusätzliches Wissen bringen.“ Denn nur im Freiland ließen sich die Stabilität der eingebrachten Gene sowie die Wechselwirkungen mit anderen Organismen über einen längeren Zeitraum studieren.

Die Gesellschaft und die Regulierungsbehörden fordern – zu Recht –, dass die Langzeitfolgen von genmanipulierten Pflanzen untersucht werden. Laimer: „Man kann aber keine Langzeitfolgen-Forschung betreiben, wenn man den ersten Schritt nicht machen kann.“ Die Gesetze in Österreich seien derart streng, dass es keinen Sinn habe, einen Freisetzungsantrag zu stellen. So wird z.B. eine Versicherung für etwaige Schäden gefordert – aber man finde keine Versicherung, die das mache.

Die gentechnisch veränderten Bäumchen haben bereits eine sehr lange Geschichte: Schon in den 1990er-Jahren wurde in der Pflanzenbiotechnologiegruppe (PBU) der Boku damit begonnen, Marillen gegen die gefürchtete Sharka- und Reben gegen die Reisigkrankheit immun zu machen. Diese Krankheiten richten im Obst- und Weinbau große Schäden an, lassen sich aber mit herkömmlichen züchterischen Maßnahmen nicht bekämpfen. Man kann nur gegen die Überträger (Blattläuse beziehungsweise Nematoden) Insektizide spritzen. Oder die Pflanzen gleich roden.

In der PBU der Boku wurden bestimmte Virusgene in das Genom von Marillen, Kirschen und Weinreben eingeschleust – was zur Immunität führt. Im Labor der PBU wachsen derzeit hunderte verschiedene Pflänzchen heran: gesunde, kranke und auch genmanipulierte. Manche Linien werden im Glashaus großgezogen, ausgewählte Pflanzen wurden auch in ein Saranhaus gesetzt. Dort sind die Pflanzen isoliert von ihrer Umgebung, aber machen die jahreszeitlichen Klimaschwankungen mit und können daher unter annähernd natürlichen Bedingungen untersucht werden. Aber eben nur annähernd: Wie sich die Pflanzen in der freien Natur wirklich verhalten, weiß man mangels Freisetzung nicht.

Die bisherigen Ergebnisse der Forschergruppe – eine der wenigen weltweit, die sich mit mehrjährigen Pflanzen beschäftigt – sind international viel beachtet. So konnte bewiesen werden, dass die eingeschleusten Gene über zumindest neun Jahre stabil blieben. Daran gab es in der Fachwelt Zweifel. Auch wurde bewiesen, dass sich durch die Genmanipulation keine neuartigen Viren in den Pflanzen bilden. Der Ort des Einbaus der Gensequenzen auf einzelnen Chromosomen konnte identifiziert werden. Diesen Arbeiten kam zugute, dass in der Zwischenzeit das Rebengenom von einem internationalen Konsortium entschlüsselt wurde.

Laimer macht deutlich: „Unser Ziel ist es unverändert, ein Problem zu lösen: Wir wollen gesunde Lebensmittel in einer gesunden Umwelt produzieren, und dazu gehört auch, dass man weniger spritzen muss.“ Und das geht bei virusbefallenen Obstgehölzen eben nur dann, wenn die Pflanzen resistent gegen die Krankheit sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2010)

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