"Gentechnik hat großen Nutzen"

Genetiker Gentechnik grossen Nutzen
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Der Genetiker Josef Glößl plädiert dafür, die Gentechnik nicht als Risikotechnologie zu verteufeln, sondern ihre Vorteile zu nutzen. Bei nachwachsenden Rohstoffen z.B. sei sie ein sehr brauchbares Werkzeug.

Die Gentechnik in der Landwirtschaft ist weltweit auf dem Vormarsch. Sie ist offenbar eine Erfolgsgeschichte.

Josef Glößl: Ja, das würde ich auch so sehen. Seit der Einführung der Gentechnik auf dem Feld haben sich die Anbauflächen kontinuierlich ausgeweitet. Es wird kein Landwirt gezwungen, das anzubauen, die machen das alle freiwillig – größtenteils aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus. In Zukunft wohl auch aus ökologischen Überlegungen – im Sinn einer Landwirtschaft mit niedrigerem Input, weniger Dünger, Insektiziden, Pestiziden oder Bewässerung.

Europa tickt offenbar anders, hier gehen die Anbauflächen zurück; Länder wie Frankreich oder Deutschland sind ganz ausgestiegen. Warum?

Der Grund dafür ist der enorme öffentliche Druck: Die Anti-Kampagnen waren so erfolgreich, dass die Mehrheit der Bevölkerung wirklich glaubt, dass Gentechnik etwas Gefährliches ist. Sie wird auf dem Markt nicht akzeptiert. Dabei ist die Behauptung, dass die Gentechnik per se eine Risikotechnologie sei, durch keine seriösen wissenschaftlichen Daten zu belegen. Es gibt zwar mögliche Risken in der Anwendung, die muss man beachten und vermeiden – aber der mögliche Nutzen überwiegt bei Weitem.

Europa baut weniger gentechnisch veränderte Pflanzen an, dafür werden aber immer mehr importiert.

Die europäische Öffentlichkeit begeht völlige Realitätsverweigerung. Wir sind auf den Import von Soja, Mais oder Baumwolle, die zu einem großen Teil gentechnisch verändert sind, angewiesen – zum Beispiel als Eiweißfutter oder Textilien. Auch bei Zusatzstoffen für die Lebensmittelverarbeitung kommt vieles aus gentechnischer Produktion – das muss aber nicht gekennzeichnet werden. Müsste man alle Produkte kennzeichnen, bei denen Gentechnik im Spiel war, dann würden die Leute sehen: Aha, die Gentechnik begleitet uns täglich.

Was sind die Gründe für die Kritik?

Das hat viele Gründe. Die Marketingmethoden der Industrie bei der Einführung waren nicht das Gelbe vom Ei. Viele Kritikpunkte, die in der Gentechnikdebatte geäußert werden, sind oft auch eine Stellvertreterdiskussion. Die Gentechnik muss z.B. für die Industrialisierung der Landwirtschaft herhalten. Die gab es aber auch schon vorher.

Die Befürworter der Grünen Gentechnik verweisen darauf, dass sie viele Vorteile bringt – etwa einen höheren Ertrag und weniger Spritzmittel. Ist das erwiesen?

Wissenschaftliche Arbeiten zeigen eindeutig, dass man wesentlich weniger Pestizide ausbringen muss – der Pestizideinsatz bei Bt-Baumwolle zum Beispiel geht um bis zu 90 Prozent zurück. Das ist auch ein wichtiger Beitrag zur Gesundheit der Landwirte: Die Kleinbauern in China oder Indien haben wenig Arbeitsschutz. Es gibt auch Studien, die belegen, dass auf Bt-Maisfeldern aufgrund des verringerten Pestizideinsatzes eine höhere Biodiversität bei Insekten herrscht.

Umweltgruppen veröffentlichen aber regelmäßig auch Studien, die das Gegenteil behaupten. Sind diese falsch?

Es gibt auch Beispiele dafür, dass das alles nicht immer aufgeht. Im großen Durchschnitt aber geht es in eine positive Richtung. Und man muss auch die richtige Vergleichsbasis heranziehen – das ist oft das Problem, das Umweltgruppen haben: dass sie nicht die richtigen Vergleichsdaten verwenden oder von unrealistischen Labordaten auf Freilandversuche schließen. Letzten Endes geht es um die Verwendung einer seriösen wissenschaftlichen Datenbasis in der öffentlichen Diskussion.

Oft wird behauptet, dass es durch genmanipulierte Pflanzen zu einer Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen kommt.

Technisch war es bis vor einigen Jahren notwendig, Antibiotika-Resistenzen als Markergene zur Selektion der genetisch veränderten Pflanzen einzusetzen. Daher ist das in den bisherigen Produkten drinnen. In der Zwischenzeit gibt es ausreichend neue Methoden, bei denen man die Antibiotika-Resistenzgene nicht mehr benötigt. Deren Gefahr ist freilich nur herbeigeredet: Theoretisch ist eine Übertragung von Resistenzgenen auf Bodenbakterien möglich, aber dazu müssen mehrere – für sich jeweils sehr unwahrscheinliche – Voraussetzungen erfüllt sein. Unterm Strich ist das Risiko vernachlässigbar klein. Dazu kommt noch, dass es in vielen Bodenbakterien natürlicherweise Antibiotika-Resistenzgene gibt. Diese sind Teil des Ökosystems, so können sich manche Mikroorganismenarten gegen andere durchsetzen.

Befürchtet wird auch das Überspringen von Genen auf Wildpflanzen, die dann zu „Superunkräutern“ werden könnten, gegen die kein Herbizid mehr hilft.

Das ist grundsätzlich ein realer Faktor. Ob das aber eine Gefährdung ist, hängt davon ab, ob eine Kulturpflanze in der Umgebung wild lebende Verwandte hat und ob die eingebrachte Eigenschaft einer Wildpflanze einen Selektionsvorteil brächte. In Europa stammen die meisten Kulturpflanzen nicht von hier – Mais, Kartoffel, die ganzen Getreidearten haben hier keine wild lebenden Verwandten. Bei den Kreuzblütlern, etwa bei Raps, ist das anders, hier trifft das zu. Das Entscheidende ist aber nicht, ob die Pflanze gentechnisch verändert ist oder nicht, sondern welche Eigenschaften sie hat. Es gibt etwa auch natürlicherweise Herbizid-Resistenzen, die durch klassische Züchtung in die Pflanzen hineingebracht werden. Gentechnisch hergestellte Produkte müssen in der Zulassung wesentlich höheren Sicherheitsstandards gerecht werden als konventionelle Produkte.

Kritik gibt es weiters, dass durch Gentechnik vermehrt Allergien auftreten könnten.

Es ist kein Beispiel bekannt, bei dem durch eine gentechnische Veränderung bei einem Produkt, das auf den Markt gekommen ist, ein erhöhtes Allergiepotenzial aufgetreten ist. So etwas würde nie und nimmer zugelassen. Bei konventionellen Produkten hingegen gibt es immer wieder neue Produkte, die von irgendwoher importiert werden, bei denen die Gefahr einer allergischen Reaktion sehr viel höher ist. Mit Gentechnik könnte man den Gehalt an allergieauslösenden Inhaltsstoffen sogar vermindern.

Bei der Gentechnik überschreitet man die Artengrenze, man bringt Gene von anderen Lebewesen ein. Das macht vielen Menschen Angst – dass Erbinformation von genmanipulierten Pflanzen in den Körper gelangt.

Ob es gefährlich sei, Nahrung mit artfremden Genen zu sich zu nehmen, ist an sich eine sehr eigenartige Fragestellung. Wir sind es gewohnt, dass wir artfremde Gene essen. Die Alternative wäre es, arteigene Gene zu essen – das ginge nur durch Kannibalismus. Für den Verdauungstrakt ist es völlig unerheblich, ob ein Gen über die Artgrenze hinweg eingebracht worden ist oder ob ich ein Menü mit Fleisch, Kartoffeln und Salat esse – dann habe ich auch eine Mischung von artfremden Genen. Im Salat hab ich noch dazu jede Menge von Bodenbakterien drauf, die natürlicherweise auch Antibiotika-Resistenzgene enthalten. Der Mensch nimmt mit der Nahrung ungefähr ein Gramm DNA pro Tag auf. Diese wird verdaut und in Fragmente zerlegt, die in Spuren durchaus auch in den Blutkreislauf übertreten können. Das war schon immer so, und daher haben wir keine grundsätzlich neue Situation.

Sind gentechnisch veränderte Pflanzen und Biolandbau unvereinbar?

Die Frage, ob Saatgut gentechnisch verändert ist, hängt nicht kausal damit zusammen, in welchem Anbausystem man es verwendet. Man könnte es grundsätzlich auch im biologischen Landbau einsetzen. Ich bin überzeugt, dass sich das à la longue in diese Richtung entwickeln wird. Derzeit sprechen die Richtlinien des Biolandbaus dagegen. Es wäre jedoch nicht unklug, diese auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterzuentwickeln. Es wäre sinnvoll, für die Entwicklung neuer Sorten und für die landwirtschaftliche Praxis jeweils die besten verfügbaren Methoden zu verwenden. Die logische Folge ist die Kombination von Biotechnologie mit dem Biolandbau.

In Österreich herrscht unverändert eine starke Anti-Gentechnik-Haltung. Wird sich das irgendwann ändern?

Sogenannte Umweltgruppen vermeiden jede faktenorientierte Diskussion. sie haben ein hohes Interesse daran, die Diskussion am Laufen zu halten. Das wird sich mittel- bis langfristig ändern. Wenn die Fakten immer erdrückender werden, wird das der Diskussion die ideologische Basis entziehen. Das war auch bei der medizinischen Biotechnologie so. Auch da gab es vor 20 Jahren Vorbehalte und heftige Diskussionen, heute wird das völlig akzeptiert: Jeder will die besten Medikamente haben.

Bei gentechnisch veränderten Kulturpflanzen, die heute auf dem Markt sind, ist der Nutzen für die Konsumenten noch nicht evident. Es gibt auch Produkte, bei denen der Nutzen fraglich ist. Aber es werden immer mehr Produkte kommen, bei denen sowohl der wirtschaftliche als auch der ökologische Nutzen evident sein werden.

Es ist zu erwarten, dass gentechnisch veränderte Pflanzen für die Bereitstellung nachwachsender Rohstoffe an Bedeutung gewinnen werden. Dadurch wird es möglich, fossile durch nachwachsende Rohstoffe in steigendem Ausmaß zu ersetzen, Inhaltsstoffe zu optimieren und die industrielle Verarbeitung zu erleichtern. Der Einsatz gen- und biotechnologischer Methoden ist ein sehr brauchbares Werkzeug zur Annäherung an eine CO2-neutrale Kreislaufwirtschaft. Müsste dies nicht ein Kernkonzept für eine moderne Wirtschafts- und Umweltpolitik sein?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2010)

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