Fett, Hunde, Sex: Böse Wissenschaftssatire

Ist dieser mongolische Sumoringer ein Beispiel für Fett-Bodybuilding? Für solches plädiert eine der tatsächlich publizierten Fake-Arbeiten.
Ist dieser mongolische Sumoringer ein Beispiel für Fett-Bodybuilding? Für solches plädiert eine der tatsächlich publizierten Fake-Arbeiten.(c) REUTERS (Thomas Peter)
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Drei US–Forschern gelang es, skurrile Pseudo-Artikel in Zeitschriften zu hieven. Sie sehen das als Zeichen dafür, dass Teile der Kulturwissenschaften zu unseriösen „Klagestudien“ verkommen seien.

Traditionelles Bodybuilding hafte an „maskulinistischen Normen der Kraft, rigiden Ordnung und Konformität“, schreibt Richard Baldwin, Professor am Gulf State Collage und Ex-Bodybuilder, in einer Zeitschrift – und schlägt als Alternative „fat bodybuilding“ vor. Dieses stelle die Normen infrage, es stehe für ein „mehr fluides, organisches und amorphes Verständnis des (politisierten) fetten Körpers“.

Klingt wie eine Parodie. Und ist auch eine. Sie wurde aber von „Fat Studies“ (dieses „Interdisciplinary Journal of Body Weight and Society“ gibt es wirklich) nicht erkannt, sondern unter dem Titel „Who Are They to Judge? Overcoming Anthropometry and a Frameworking for Fat Building“ publiziert.

Verfasst hat sie nicht Baldwin (der gab nur seinen Namen her), sondern die Anglistin Helen Pluckrose, der Mathematiker James Lindsay und der Philosoph Peter Boghossian (nicht zu verwechseln mit seinem berühmteren Kollegen Paul Boghossian) – als Teil eines groß angelegten „Hoax“, also eines Fakes, der jene, die auf ihn hereinfallen, bloßstellen soll.

Der konzeptuelle Penis

Diesfalls „Cultural Studies“, die die Wissenschaftlichkeit aufgegeben haben – zugunsten eines postmodernen Relativismus und bewusster Parteinahme für benachteiligte Gruppen. Das meinen zumindest die drei Autoren, sie sprechen von „grievance studies“ („grievance“ heißt Klage, Beschwerde) und lassen keinen Zweifel daran, dass ein beträchtlicher Teil der Gender Studies für sie in diese Kategorie fällt.

Diesen galt schon im Mai 2017 ein Hoax von Boghossian und Lindsay: Damals gelang es ihnen, der Zeitschrift „Cogent Social Sciences“ die Studie „The Conceptual Penis as a Social Construct“ unterzujubeln, in der erklärt wurde, dass der Penis nicht als Organ, sondern als „fluides soziales Konstrukt“ zu verstehen sei – und auch für den Klimawandel mitverantwortlich sei.

Urtyp dieser Aktionen ist die Sokal-Affäre: 1996 brachte der Physiker Alan Sokal in der Zeitschrift „Social Text“ einen Text über „Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity“ unter: eine Parodie, die freilich gegen ernst gemeinte Texte von Berühmtheiten wie Baudrillard, Deleuze, Lacan, Latour etc., die Sokal nach Aufdecken seines Streichs im Buch „Eleganter Unsinn“ veröffentlichte, unfreiwillig seriös wirkte . . .

Das kann man von den 20 Artikeln kaum behaupten, die Boghossian, Lindsay und Pluckrose nun fingierten. Ihr Streich war auch nur teilweise erfolgreich: Sieben Artikel wurden akzeptiert, vier davon sind bereits publiziert. Immerhin sechs Artikel wurden abgelehnt, die restlichen sieben waren noch in der Schwebe, als die Aktion abgebrochen werden musste: Das „Wall Street Journal“ hatte einen bereits in der feministischen Zeitschrift „Gender, Place & Culture“ erschienenen Fake-Artikel nachrecherchiert.

Mikrokosmen im Park

Er hieß „Human Reactions to Rape Culture and Queer Performativity in Urban Dog Parks in Portland, Oregon“ und schilderte Feldstudien: Eine Forscherin habe registriert, wie Hunde in einem Park einander bespringen und wie ihre Besitzer darauf reagieren. Wurde ein Weibchen von einem Männchen besprungen, hätten sie nur in 32 Prozent der Fälle interveniert, bei homosexuellen Akten in 97 Prozent. „Do dogs suffer oppression based upon (perceived) gender?“, fragte die (fiktive) Forscherin – und erklärte: „Hundeparks sind Mikrokosmen, wo hegemonische maskulinistische Normen [. . .] in einer artübergreifenden Umgebung studiert werden können.“ Die Arbeit wurde von der Zeitschrift „Gender, Place, and Culture“– die wie alle ausgewählten Zeitschriften „peer-reviewed“, also von Fachkollegen redigiert wird – sogar ausgezeichnet, obwohl ein Reviewer kritisiert hatte, dass durch Untersuchung der Sexualorgane der Hunde deren Privatsphäre missachtet worden sei.

Veröffentlicht wurde auch eine Fake-Studie über „Challenging Straight Male Homohysteria and Transphobia through Receptive Sex Toy Use“. Sie plädiert, kurz gesagt, dafür, dass Männer ihre Angst vor Homosexualität bekämpfen, indem sie sich selbst Sexspielzeug anal einführen. Wer das für komplett an den Haaren herbeigezogen hält, kennt nicht das – etwa bei den Wiener Festwochen 2017 präsentierte – „Kontrasexuelle Manifest“ des Queer-Theoretikers Paul Preciado, das vorschlägt, als Gegenentwurf zur Heterosexualität fortan Anus und Dildo ins Zentrum des Eros zu stellen.

Wirklich arge Satire ist der von der Zeitschrift „Affilia“ angenommene feministische Aufsatz „Our Struggle Is My Struggle“, für den laut den Autoren des Fakes teilweise ein Kapitel aus Hitlers „Mein Kampf“ umgeschrieben worden sein soll.

Das ließe sich noch am ehesten als die böswillige Denunzierung gesellschaftskritischer Forschung interpretieren, die Kritiker nun den drei Hoax-Autoren vorwerfen. Diese betonen freilich, dass sie selbst eher auf der linken Seite des politischen Spektrums stehen. Ihre Aktion solle vor dem Irrationalismus warnen, der dort grassiere. Angenommen wurde übrigens auch eine Fake-Arbeit, die die Kritik vorwegnahm und den Relativismus ad absurdum führte: „When the Joke Is on You: A Feminist Perspective on how Positionality Influences Satire“.

DER HOAX ist ein Grubenhund

Das englische Wort, 1796 erstmals belegt, kommt wahrscheinlich von „hocuspocus“, was wiederum wohl eine Verballhornung der priesterlichen Einsetzungsworte („hoc est corpus“) ist.
Im Deutschen entspricht dem Hoax am ehesten der Grubenhund. Dieser leitet sich von einem fingierten Leserbrief ab, den der Techniker Arthur Schütz 1911 in der „Neuen Freien Presse“ unterbrachte, um sich über Protzerei mit Fachausdrücken zu mokieren. Darin war von einem „schlafenden Grubenhund“ die Rede – in absichtlicher Verwechslung mit dem „Grubenhunt“, das ist ein im Bergbau verwendeter Güterwagen. Einen ähnlichen Streich hatte davor schon Karl Kraus der „NFP“ gespielt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2018)

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