Es war einmal ein Halleiner Straßenlärmproblem

Die Holz-Zement-Platten der Salzburger Multifunktionsfassade haben eine Struktur, die an Baumrinde erinnert und extra für den Wohnbau konstruiert wurde.
Die Holz-Zement-Platten der Salzburger Multifunktionsfassade haben eine Struktur, die an Baumrinde erinnert und extra für den Wohnbau konstruiert wurde. Paul Schweizer
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Experten des Forschungsbereichs Smart Building & Smart Cities der Fachhochschule Salzburg begleiten die Sanierung der in die Jahre gekommenen Burgfriedsiedlung in der Stadt Hallein. Ein Ziel: Es soll leiser werden. Möglich macht das eine Fassade, die den Lärm schluckt.

Als 1945 in der Halleiner Burgfriedsiedlung die ersten Mehrparteienhäuser an der Salzachtal Bundesstraße errichtet wurden, war der Verkehr noch kein Problem. Heute rauschen pro Tag rund 18.000 Fahrzeuge vorbei. Die großzügigen Grünflächen zwischen Häusern werden von den Bewohnern kaum genützt. Es ist zu laut, um dort zu entspannen.

Die Lärmsituation ist nur eines der Themen, die bei der Sanierung der Gemeindebauten im Zentrum steht. Die in die Jahre gekommenen Gebäude verfügen über keine Zentralheizungen und sind nicht gedämmt. Dazu kommt, dass in Hallein Baugrund Mangelware ist und die Stadt deshalb das Potenzial zur Nachverdichtung nützen will. Begonnen hat aber alles mit dem Thema Lärm. Der Architekt Paul Schweizer hatte sich schon seit Längerem gemeinsam mit den Experten des Forschungsbereichs Smart Building & Smart Cities der Fachhochschule (FH) Salzburg damit beschäftigt, wie sich durch schallabsorbierende Fassaden die Lärmsituation in Wohngebieten verbessern ließe. Mit der Stadt Hallein fand Schweizer einen interessierten Partner.

Bewohner redeten mit

Gemeinsam entstand dann die Idee, in der Burgfriedsiedlung über die Lärmsituation hinausgehend ein Vorzeigebeispiel für smarte Sanierung zu realisieren. Basis bildete das Sondierungsprojekt „Wohnen findet Stadt – Hallein“ (siehe Kasten). Es untersuchte unter anderem die Verkehrssituation, den Bauzustand und den Energiestandard. Eine Befragung der Bewohner ergänzte den technischen Part. „Die Bewohner wurden nach ihren Wünschen gefragt“, nennt Schweizer einen der Bausteine für den Erfolg. Die Mieter sind durch intensive Kommunikation offen für die Sanierung – obwohl so ein Umbau immer mit vielen Belastungen und Veränderungen verbunden ist.

„Unser Ziel war eine Sanierung mit möglichst minimalen Eingriffen, weil die Mieter auch während des Umbaus in ihren Wohnungen bleiben“, erläutert Markus Leeb, Forschungsleiter Intelligente Energiesysteme der FH Salzburg. Deshalb wurde schnell eine Bauteilaktivierung – eine außen an der Fassade angebrachte Wandheizung – angedacht. Darauf kam eine vorgefertigte Holzkonstruktion mit Zellulosedämmung. Die äußere Schicht der hinterlüfteten Fassade dämpft gleichzeitig den Lärm. Sie besteht aus offenporigen Holz-Zement-Platten, die ähnlich den Lärmschutzwänden an Autobahnen den Schall absorbieren.

In einer Forschungsarbeit konnten die Experten der FH Salzburg nachweisen, dass sich die Lärmbelastung mit diesen Elementen um bis zu drei Dezibel senken lässt. Ergänzt durch zusätzliche lärmhemmende Maßnahmen entlang der Bundesstraße – wie beispielsweise überdachte Fahrradständer – ist es um bis zu zehn Dezibel leiser.

„Die Technik ist bekannt, aber sie wurde bisher in der Architektur kaum angewandt“, sagt Schweizer über die gemeinsam entwickelte „Salzburger Multifunktionsfassade“. Balkone, neue Fenster, geringere Heizkosten und mehr Komfort – bisher haben viele Mieter mit Pellets oder Kohle geheizt – sind neben der geringeren Lärmbelastung ein weiterer Mehrwert für die Bewohner. Um das Nachverdichtungspotenzial zu nützen, kommt zu den bisher drei Stockwerken eine vierte Etage mit sieben barrierefreien Wohnungen dazu.

Auch wenn derzeit noch an den ersten beiden Objekten der Siedlung gearbeitet wird, die komplett unsaniert waren, denken Schweizer und Leeb gemeinsam mit der Stadtgemeinde Hallein schon über die nächsten Schritte nach. Leeb: „Andere Gebäude haben bereits Wärmeschutz. Wie man sinnvoll damit umgeht, ist eine neue Herausforderung.“ Potenzial für smarte Sanierungen gibt es genug: Allein in Salzburg stammen 43,4 Prozent aller Gebäude aus den Jahren 1945 bis 1980.

ZUM PROJEKT

„Wohnen findet Stadt – Hallein“ bildet die Grundlage für eine energieeffiziente und klimabewusste Lösung für weit verbreitete bauliche Probleme von sanierungsbedürftigen Altbauten aus der Nachkriegszeit. Projektpartner sind der Architekt Paul Schweizer, die Stadtgemeinde Hallein, die FH Salzburg, das Research Studio iSpace und das Ingenieurbüro Planum. Das Projekt wird vom Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen der Smart-Cities-Initiative durchgeführt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2018)

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