Welsbabys quietschen höher

Welsbabys quietschen hoeher
Welsbabys quietschen hoeher(c) Bilderbox
  • Drucken

Fische können hören und Laute produzieren. Erstmals wurde an Welsen gezeigt, dass junge Fische Töne anders wahrnehmen können als erwachsene.

Kreischen und Quatschen klingt bei kleinen Kindern besonders eindringlich – ihre Stimmlage liegt in einem höheren Frequenzbereich als bei Erwachsenen. Auch ihr Hörvermögen deckt den höchsten Frequenzbereich ab – werden Menschen älter, hören sie die höchsten Töne nicht mehr. Ein Team von Verhaltensforschern der Uni Wien hat nun herausgefunden, dass es sich bei Fischen ähnlich verhält. „Wir konnten zeigen, dass kleine Welse besonders hohe Frequenzen erzeugen und dass sie hochfrequente Töne besser wahrnehmen können“, sagt Walter Lechner vom Department für Verhaltensbiologie. Dass Fische keinesfalls stumm sind, sondern laut quietschen, knattern, trommeln und grunzen können, ist Biologen (und Fischern) schon lange klar.

Zur Lautproduktion haben sich bei der extrem vielfältigen Gruppe verschiedene Mechanismen entwickelt. „Quietscher“ (Squeaker), wie Fiederbartwelse von Aquarianern und Fischern genannt werden, erzeugen das Quietschgeräusch ähnlich, wie Grillen zirpen: Eine kammartige Struktur wird über eine harte Kante gezogen. (Auch Kinder schaffen es so, Geräusche zu erzeugen: Kamm über die Tischkante, und geht schon.) Bei den Fiederbartwelsen reibt ein kammartiger Brustflossenstachel in einer Gelenkspfanne des Schultergürtels.

„Manche der Fische können richtig laut werden“, sagt Lechner und spielt Tonaufnahmen der Quietschgeräusche vor. Das Wiener Labor unter der Leitung von Friedrich Ladich ist auf Unterwasseraufnahmen spezialisiert. Im schallisolierten Raum stehen Aquarien, in denen mit speziellen Unterwassermikrofonen (Hydrofonen) jeder Ton aufgezeichnet wird, den die Fische von sich geben. „Sobald wir sie berühren, fühlen sich die kleinen Welse bedroht und quietschen drauflos.“

Die Töne könnten sowohl eine Warnung an Artgenossen sein als auch dem Erschrecken und Irritieren der Feinde dienen, erklärt Ladich den biologischen Sinn der Töne: „Auch könnten die kleinen Fische, wenn sie angegriffen werden, andere Prädatoren (Räuber, Anm.) anlocken. Wenn sich dann die beiden Feinde streiten, kann das eigentliche Opfer abhauen.“

Das sind Vermutungen, denn augenscheinliche Beobachtungen des Verhaltens der Fische sind kompliziert bis unmöglich. „Der natürliche Lebensraum ist der Kongo in Afrika: In dem trüben Gewässer ist das Beobachten schwierig, zudem sind die Tiere nachtaktiv“, sagt Lechner. So bleibt den Biologen vorerst nur die Beobachtung der Lautproduktion und der Sinnesleistungen der Welse – im Labor.


Jungwelse abgehört. Erstmals konnten nun Jungtiere dieser Welsart getestet werden. „Einem Kollegen gelang die Sensation, diese afrikanischen Welse zu züchten. Ohne Hormoninjektion, die in Österreich sowieso für Aquarianer verboten ist, aber in anderen Ländern oft als Trick verwendet wird“, berichtet Lechner. Um die wertvolle Brut nicht zu gefährden, warteten die Biologen, bis die Fische dem Larvenstadium entwachsen waren. Ab einer Länge von 2,2 Zentimetern wurden die Jungfische dann „abgehört“: Die Laute waren – wie erwähnt – höher als bei erwachsenen Welsen (Länge etwa 15 Zentimeter).

Die Sinnesleistungen der Welse erforschte das Team mit der bewährten Methode, die EEG-Ableitungen ähnelt: Die „AEP-Messungen“ an den Fischen leiten oberflächlich die Hirnstammpotenziale ab. An den Kurven erkennt man, welche Töne die Fische wahrnehmen können und welche nicht.

Fische haben zwar keine großen, sichtbaren Ohren, viele Arten hören aber sehr gut. „Von der Ausstattung her sind Welse absolute Topfische, was das Hören und die Lautäußerungen betrifft“, sagt Ladich. Sie haben – wie die meisten Süßwasserfische – Weber'sche Knöchelchen, die Schallwellen von der Schwimmblase zum Hörorgan leiten (ähnlich den Gehörknöchelchen der Säuger). „Die Auswertung zeigte, dass bereits die jungen Fische alle Laute hören können, die sie und ihre Artgenossen produzieren“, sagt Mitarbeiterin Lidia Eva Wysocki. Das war überraschend, denn bisher war keine Fischart bekannt, bei der alle Altersstufen miteinander kommunizieren können.

Der nächste Schritt der Studie führt Lechner wieder an den Kongo, um eine nahe verwandte Welsart zu untersuchen. Der „Synodontis schoutedeni, den wir jetzt erforscht haben, lebt im sehr ruhigen Malebo Pool, wo der Kongo wie ein See verbreitert ist. Die gleiche Gattung gibt es auch in den lauten, turbulenten Stromschnellen flussabwärts“, sagt Lechner. Spannend ist, ob sich Hörvermögen und Lautproduktion bei Welsen im lauten Gewässerabschnitt anders entwickelt haben als bei ihren „Cousins“ im ruhigen See, wo man leichter durch Quietschen und Knattern kommunizieren kann. „Wie die Umwelt die Sensorik von Tieren beeinflusst, ist eine große Frage“, so Ladich.

Denn im Endeffekt tragen diese Ergebnisse zu einem besseren Verständnis bei, wie sich Lärm in Gewässern auf das Leben darin auswirkt. Daran denkt man oft nicht, wenn gesteigerter Schiffslärm ein Gewässer „beschallt“ oder durch Begradigungen et cetera der Lärmpegel in Flüssen zunimmt. Die Wiener Gruppe versucht derzeit herauszufinden, ob darin lebenden Fischen vielleicht „Hören und Quietschen vergeht“.

Weltweit gibt es etwa 3000 Welsarten, die meisten leben im Amazonasgebiet. Die einzige bei uns in Österreich ursprünglich heimische Welsart ist der Flusswels Silurus glanis, der bis zu drei Meter lang werden kann. Der hier beforschte Fiederbartwels Synodontis schoutedeni lebt im Kongo, wird etwa 15 Zentimeter lang und hat eine auffällige Marmorzeichnung.

Fische sind nicht immer stumm. Viele der knapp 30.000 Fischarten quietschen, knattern, grunzen, trommeln und mehr. Obwohl man meinen könnte, dass Fische, die besonders gesprächig sind, sehr gut hören, ist dies nicht der Fall: Man findet unter den „Gesprächigen“ sowohl gut als auch schlecht hörende Arten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.