Medizin: Stammzellen heilen (Mäuse-)Nerven

** ARCHIV ** Auf einem von Advanced Cell Technology zur Verfuegung gestellten Foto wird zur Stammzell
** ARCHIV ** Auf einem von Advanced Cell Technology zur Verfuegung gestellten Foto wird zur Stammzell(c) ASSOCIATED PRESS (Advanced Cell Technology)
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Japanische Forscher konnten Tumorrisiko der Zellen bannen. Scharlatanerie macht Stammzellentherapien aber oft zu einem gefährlichen Unterfangen.

1999 kam der 18-jährige US-Amerikaner Jesse Gelsinger bei einer experimentellen Gentherapie ums Leben, sein Tod war auch der dieses Forschungsfelds, das als Vorletztes die große Hoffnung der Medizin war: Seit Beginn der 90er-Jahre wollte man jede Krankheit, die mit Genen zu tun hatte, durch Reparatur der Gene heilen. Der Hype war enorm, aber tausende Gentherapien brachten keinerlei Erfolg (präziser: fünf gelangen, aber sie brachten den Patienten Krebs).

Mit Gelsingers Tod war dann alles vorbei (auf kleiner Flamme wird noch geforscht). Deshalb fürchtet der jüngste und ebenso gehypte Hoffnungsträger der Medizin, die Stammzelltherapie, nichts mehr als einen Gelsinger-Parallelfall. Und deshalb tastet sich die offizielle Forschung vorsichtigst voran: Vor drei Jahren hat Shin'ya Yamanaka (Kyoto) die induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) erfunden. Das sind Zellen, die aus ausdifferenzierten Körperzellen durch Verjüngung gewonnen werden. Yamanaka löste damit das ethische Problem embryonaler Stammzellen – ES, zu ihrer Gewinnung werden Embryos produziert und zerstört –, aber das Sicherheitsproblem blieb: Alle Stammzellen, ob ES oder iPS, können zur Bildung von Tumoren führen. Sie müssen es sogar, es ist ihr Kennzeichen: Wenn sie als ES oder iPS gespritzt werden, bilden sie Tumore.

Deshalb dürfen bei Therapien nie sie selbst, sondern nur aus ihnen gewonnene differenzierte Zellen gespritzt werden, etwa Nervenzellen, und es muss sichergestellt werden, dass diese Zellen nicht mit ES oder iPS verunreinigt sind.
Dass das geht und dass die Zellen dann heilen, hat Yamanaka nun an Mäusen gezeigt, deren durchtrenntes Rückenmark er teilweise mit Nervenzellen aus iPS reparieren konnte (Pnas, 6. 7.).

Warnung vor Scharlatanerie


Aber nicht alle sind so vorsichtig, vor allem in Südostasien bieten viele Privatkliniken sog. Stammzelltherapien an. In Thailand ist eine Patientin gestorben, die ein Nierenleiden heilen lassen wollte. Sie ist vermutlich nicht an den „Stammzellen“ gestorben, aber in ihren Nieren bildeten sich höchst eigenartige Zellhaufen (Nature, 465, S. 997). Zeitgleich hat die Zunft – International Society for Stem Cell Research – ihre Warnung vor solchen Kuren erneuert und eine Homepage eröffnet: closerlookatstemcells.org  jls

("Die Presse", Printausgabe, 7.7.2010)

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