"World Expo 2010": Forschen im Reich der Mitte

World Expo 2010 Forschen
World Expo 2010 Forschen(c) EPA
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Bei der Austria Tec Week China während der "World Expo 2010" in Shanghai knüpfen chinesische und österreichische Forscher enge Kontakte.

Man kommt aus dem Staunen nicht heraus, wenn man vor dem riesigen Modell im Ausstellungszentrum für Stadtplanung in Shanghai steht. Dort ist auf gut 600 Quadratmetern im Maßstab 1:500 dargestellt, wie das Stadtzentrum im Jahr 2020 aussehen soll. Hunderte Hochhäuser säumen das Panorama, ganz zu schweigen von den unzähligen Wohnhäusern mit 20 und mehr Stockwerken. Ein Drittel der Projekte ist noch nicht umgesetzt – aber schon jetzt leben im unmittelbaren Zentrum Shanghais sieben Millionen Menschen, bald sollen es acht Millionen sein. Auf einer Fläche von 110 Quadratkilometern leben so viele Menschen wie in Österreich. Die ganze Stadt hat rund 19 Millionen Einwohner, dazu kommen noch einige Millionen Wanderarbeiter – genaue Zahlen kennt niemand –, Hunderttausende ziehen jährlich zu.

Entsprechend groß sind auch die Probleme Shanghais (und vieler anderer chinesischer Städte). Leitungswasser sollte man angesichts des hohen Schwermetallgehalts nicht trinken. Obwohl erst eine Minderheit der Chinesen ein Auto hat, sind die Straßen dauerverstopft. Und die Energieversorgung ist eine echte Herausforderung. Kein Wunder: Die Gebäude sind praktisch nicht isoliert, sie benötigen im subtropischen Sommer immense Energiemengen zur Klimatisierung, im bitter kalten Winter sehr viel Heizenergie.


Energie. Diese Probleme sind der chinesischen Führung bekannt, es wurde auch schon reagiert. Im 11. Fünfjahresplan wurden u. a. Standards für den Wohnbau eingeführt, durch die der Energiebedarf um 50 Prozent gesenkt werden soll. Im nächsten Plan soll er um weitere 60 Prozent reduziert werden. Doch dazu fehlt es weithin an Know-how – in ganz China gibt es erst rund 20 Gebäude, die als Passivhäuser zertifiziert sind. In Österreich sind es dagegen bereits viele Tausende.

China hat die Probleme, Österreich hat das Wissen über deren Lösung. So könnte man den Grundgedanken der „Austria Tec Week China“ zusammenfassen, die diese Woche im Rahmen der Weltausstellung „Expo 2010“ in Shanghai stattfand. Österreich ist bei dieser Großveranstaltung mit einem vom Wirtschaftsministerium und von der Wirtschaftskammer finanzierten schmucken Pavillon vertreten – der bisher von annähernd drei Millionen Menschen besucht wurde. In diesem Gebäude diskutierten österreichische und chinesische Experten eine Woche lang über Energieversorgung, „Smart Cities“ oder die künftige Mobilität.

Organisationen wie das akademische Gründerprogramm AplusB, der Verband Österreichischer Technologiezentren (VTÖ), die Austrian Business Agency (ABA) oder Ecoplus stellten sich ebenso vor wie COMET-Kompetenzzentren sowie knapp 20 österreichische Umwelttechnik-Firmen.


Kooperation. Das Interesse aus China war groß. „Österreich ist in der Nutzung beschränkter Ressourcen ein Musterland, von dem wir viel lernen können“, sagte Cao Jianlin, Chinas Vizeminister für Wissenschaft und Technologie. Er blieb anstatt der geplanten zehnminütigen Grußworte zur Eröffnung fast zwei Stunden bei der Veranstaltung. Mit ein Grund dafür ist, dass der chinesische Wissenschaftsminister Wan Gang enge Beziehungen zu Österreich pflegt – er war erst Ende vergangener Woche zu Besuch in Wien. „Ich würde mich freuen, wenn mehr österreichische Forscher zu uns kommen, um mit chinesischen Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten“, sagte Cao Jianlin.

Vereinzelt gibt es solche Kooperationen bereits – etwa zwischen dem steirischen Autotechnologie-Unternehmen AVL List und der Tongji-Universität in Shanghai. Am Mittwoch wurde beim Österreich-Pavillon der Expo der Prototyp eines Elektroautos vorgestellt, das zur Erweiterung der Reichweite zusätzlich mit einer Brennstoffzelle ausgestattet ist.

Nun sollen weitere Kooperationen entstehen. Die Speerspitze bildet das Austrian Institute of Technology (AIT), das die „Austria Tec Week“ mitorganisiert hat. Aus den Gesprächen haben sich konkrete Vorhaben herauskristallisiert. So sollen etwa in der mittelchinesischen Stadt Nanchang – einer Fünf-Millionen-Stadt, die eine Öko-Musterregionen in China werden soll – Projekte zur Verbesserung der Energieeffizienz durchgeführt werden.


Mobil. Auch beim Thema Mobilität soll stärker kooperiert werden. In Shanghai wurden Folgetreffen zwischen AIT und chinesischen Experten vereinbart, in denen über nachhaltige Verkehrskonzepte für Shanghai diskutiert wird. Und auch in der Innovationsforschung wird eine bereits bestehende Kooperation mit der chinesischen Akademie der Wissenschaften vertieft. „China will vom Investitionsstandort zum Innovator werden“, erläuterte Ingolf Schädler (Infrastrukturministerium), Delegationsleiter bei der „Austria Tec Week“, den Hintergrund des chinesischen Interesses. Für Österreich sei das eine Chance, Forschungspartnerschaften aufzubauen – wie sie z.B. Deutschland schon länger betreibt –, um auch österreichische Unternehmen nachzuziehen. Bei geschickter Gestaltung der Rahmenbedingungen, etwa der Patentrechte, sei es möglich, dass beide Seiten davon profitieren.

Wolfgang Knoll, wissenschaftlicher Geschäftsführer des AIT, betont, dass die Zusammenarbeit langfristig ausgerichtet sei und nicht auf kurzfristige Gewinne. „Bei Kooperationen in Asien muss man Geduld haben“, sagt Knoll, der lange Jahre in Tokio und Singapur tätig war, bevor er nach Wien kam. „Wir wollen Technologien für übermorgen entwickeln“, betont er.

Auch in der Grundlagenforschung werden nun engere Bande zwischen Österreich und China geknüpft: Der Quantenphysiker Anton Zeilinger (Uni Wien, ÖAW) wird die erste „Teleportation“ zwischen Erde und Weltall mit Hilfe eines chinesischen Satelliten durchführen. Mit dem Verfahren soll die Datenübertragung künftig abhörsicher gemacht werden.

Die Weltausstellung in Shanghai (Motto: „Better city, better life“) ist die größte derartige Veranstaltung, die je stattgefunden hat. Täglich kommen 300.000 bis 700.000 Besucher, bisher über 60 Millionen, davon rund 97 Prozent Chinesen. Österreich ist mit einem Pavillon, der sich optisch stark von den meisten anderen abhebt, vertreten. Beim Publikum ist er sehr beliebt – man kann in ihm Schneebälle werfen und Live-Musik vor der Kulisse des Wiener Musikvereins hören.

Hannes Androsch, österreichischer Regierungskommissär bei der „Expo 2010“, hat zudem die „Austria Tec Week China“ angeregt, um auch technologische Kompetenz zu zeigen: „Wir haben unsere Visitenkarte abgegeben und eine Saat gesät, die nun weiter gepflegt werden muss.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2010)

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