Mumien: Tätowierungen als Heiltherapie?

Mumien Taetowierungen Heiltherapie
Mumien Taetowierungen Heiltherapie(c) EPA (MIKE NELSON)
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Sowohl Ötzi als auch Mumien aus Peru weisen Tätowierungen an Akupunkturstellen auf.

Spannende und schaurige Geschichten kann man über Tätowierungen lesen – über sakrale Symbole bei Völkern aus aller Welt lang vor unserer Zeit, über eintätowierte Häftlingsnummern der NS-Konzentrationslager oder über skurrile Models moderner Tätowierkunst, bei denen kein Stückchen Haut „unbefleckt“ ist. In Graz untersuchen nun Forscher der Med-Uni und der TU Graz gemeinsam mit Archäologen Tätowierungen von längst verstorbenen Menschen. Die Gruppe um Maria Anna Pabst (Institut für Zellbiologie, Histologie und Embryologie) publizierte heuer bereits neueste Erkenntnisse über Tätowierungen des „Ötzi“, der vor 5300 Jahren starb. „Es handelt sich wahrscheinlich um Heiltätowierungen“, sagt Pabst: „Sie sind entlang der Wirbelsäule zu finden und an Gelenken, in denen Schmerzen auftreten können.“ Tatsächlich litt Ötzi an Arthrose (Gelenksabnützung). „Zur Tätowierung an diesen Stellen wurde Ruß verwendet.“

Nun konnte das Team an einer 1000 Jahre alten Mumie aus dem südlichen Peru erstmals zeigen, dass die Unterschiede zwischen Schmucktätowierungen und Heiltätowierungen nicht nur in Form, Muster und Lage am Körper bestehen, sondern dass auch das Material, das unter die Haut eingebracht wurde, verschieden ist.

Gewebsanalysen. Am Südzipfel Perus liegt Chiribaya Alta, hier wurden in einer Nekropolis (Totenstadt, Grabstätte) in kleinen Höhlungen unter der Erde viele Mumien gefunden: in Hockposition, in Bandagen eingewickelt. „Die Mumie, an der wir geforscht haben, lag nicht in der Grabstätte, sondern im Wüstensand, ohne Bandagen. Wahrscheinlich haben Grabräuber den Leichnam ausgewickelt, um an Schmuck etc. zu kommen.“ Im Gegensatz zu den anderen Mumien wies diese viele Tätowierungen auf. An Armen, Händen und einem Bein fand man klassische „Schmucktätowierungen“: stilisierte Frösche, Eidechsen, Vögel und fantasievolle Muster, die auch die Finger wie Schmuckringe zieren. Gewebsanalysen mit Licht- und Elektronenmikroskop haben gezeigt, dass dazu eindeutig Ruß verwendet wurde, der möglicherweise von einer Feuerstellen entnommen worden war.

„Im Nackenbereich zeigen die Tätowierungen nur Kreise“, so Pabst: „Hier verdeckten lange Haare und Kleidung die Muster.“ Auch die Gewebeproben sehen im Nackenbereich anders aus als die der Schmucktätowierungen: „Hier wurde wahrscheinlich fein gestampftes Pflanzenmaterial verwendet, das vorher angebrannt oder in die Haut eingebrannt wurde.“ Diese Tätowierungen im Nacken könnten Heiltätowierungen sein: Leopold Dorfer vom Akupunkturzentrum Graz bestätigte, dass man an den Stellen gegen Kopf- und Nackenschmerzen akupunktiert. Die Tätowierung im Nackenbereich könnte aber auch Teil eines Stärkungsrituals einer höher gestellten Persönlichkeit gewesen sein, wie ein peruanischer Schamane vermutet. Die Chromosomenanalysen ergaben übrigens, dass die Mumie eine Frau war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2010)

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