Drei Babys, mit Elfenbein bestattet

Ausgrabung in Krems. 27.000 Jahre alte Gräber belegen ein aufwendiges Ritual.

Erst zwei Neugeborene, vermutlich Zwillinge, dann, nur einen Meter daneben, ein bis zu drei Monate al tes Kind, liebevoll bestattet: Die Funde am Wachtberg bei Krems sind eine archäologische Sensation, eine Publikation in Nature (444, S. 285) belegt nun ihre internationale Bedeutung.

"Bisher herrschte die Meinung vor, dass in der damaligen Steinzeit-Kultur Säuglinge noch nicht als vollwertige Menschen behandelt wurden", erklärt Christine Neugebauer-Maresch, Archäologin an der Akademie der Wissenschaften: "Das ist jetzt hundertprozentig widerlegt. Die Bestattung dieser drei Kinder zeugt von Wertschätzung, vielleicht sogar von Jenseitsglauben."

Die toten Kinder wurden in kleinen Gruben am Rand der Siedlung begraben - und zwar offenbar in einer Art Beutel aus organischem Material (Fell oder Leder) - und in Rötel gebettet. "In der Alt- und Jungsteinzeit waren Rötel-Bedeckungen bei Bestattungen häufig, die rote Farbe sollte vielleicht für Blut, für Leben stehen", erklärt Neugebauer. Faszinierend ist auch eine Grabbeigabe: Am Becken des einen der beiden Zwillingskinder fand man eine Kette aus tropfenförmigen Perlen aus Mammut-Elfenbein. Abgedeckt waren die Kinder mit dem Schulterblatt eines Mammuts, sorgsam gestützt durch den Teil eines Stoßzahns.

"Darum ist das Grab der doppelbestatteten Kinder so gut erhalten, obwohl es heute sechs Meter unter der Oberfläche liegt", erzählt Neugebauer: "Leider ist das neu gefundene Grab nicht durch eine Abdeckung geschützt und daher schlechter erhalten." Aber auch hier fand sich viel Rötel, und die Hülle war offensichtlich im Bereich des Kopfes mit einer Nadel aus Elfenbein zugeheftet.

So subtile Materialbehandlung bei altsteinzeitlichen Jägern und Sammlern? "Diese Menschen hatten auch eine sehr fortschrittliche Steingeräte-Industrie", erzählt Neugebauer: "Sie präparierten Stein-Knollen, meist aus Hornstein, um daraus schmale Klingen herzustellen, darum spricht man auch von Schmalklingen-Kultur. Sie verarbeiteten die Klingen weiter, etwa zu kleinen gezähnten sägeartigen Werkzeugen, die in Holz geschäftet als Speerbewehrung dienten."

Typisch für diese Kultur - die zum Gravettien (von vor 28.000 bis vor 20.000 Jahren), dem mittleren Abschnitt des Jungpaläolithikums (40.000 bis 10.000), gehört - sind auch kleine Figuren aus Ton. Bei Krems fanden sich solche Plastiken, die eindeutig Tiere darstellen: einen Löwen oder Bären, ein Rentier. Ähnliche Figuren kennt man aus Südmähren, aus den Pollauer Bergen (bei Mikulov). Dort wurden Fingerabdrücke auf solchen Ton-Klümpchen untersucht: Sie stammen offenbar von zirka elfjährigen Kindern. Steinzeitliches Plastilin-Spielzeug? "Es könnte auch mit einer Art von Initiationsriten zu tun haben", meint Neugebauer. Jedenfalls ist diese Ton-Kunst auf einmal, vor 28.000 Jahren, aufgetreten und war vor etwa 24.000 Jahren wieder in Vergessenheit geraten.

Es bestand enge kulturelle Verbindung mit dem Südmährischen: "Es waren wohl dieselben Gruppen, die in diesem Areal herumgezogen sind. Sie errichteten große Hütten aus Fell, Holz und Knochen - in Lagern, die saisonal bewohnt wurden. Vielleicht blieben ältere oder weniger bewegliche Leute sogar ständig dort - dafür spricht, dass die nur 30 Zentimeter unter der Erde Bestatteten nicht von Tieren ausgegraben wurden."

Die Gegend um Krems war damals wie heute besonders attraktiv: Die Aulandschaft der - noch stärker mäandrierenden - Donau und die Lage am Südhang boten günstige Bedingungen in einer klimatisch doch raueren Zeit, der letzten Eiszeit.

Neugebauer und ihre Mitarbeiter rechnen mit weiteren Funden: "Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir auf weitere Gräber stoßen. Wir sind ja noch nicht im zentralen Bereich der Siedlung, an der Feuerstelle! Die Funddichte ist jetzt schon extrem hoch. Und wir graben ja erst das zweite Jahr an dieser Stelle. Im Jahr schaffen wir bis zu zehn Quadratmeter." Probleme schafft, dass die Gegend auch heute sehr beliebt ist: Das Grabungsgebiet liegt auf einem ehemaligen Weinberg, der bereits parzelliert ist. "Zum Glück sind die Besitzer sehr kooperativ", sagt Neugebauer: "Und wir können auf Sponsoren hoffen. Wenn das Gebiet einmal verbaut ist, ist es mit der Archäologie vorbei."

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