Bodenforschung: Zwischen Stein und Leben

Bodenforschung Grenze zwischen Stein
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An der Boku haben sich zehn Institute zur Humusplattform zusammengetan – zur Untersuchung eines höchst komplexen und lebenswichtigen Stoffes.

Humus ist die Basis der Fruchtbarkeit: Ohne ausreichende organische Substanz, die innig mit mineralischen Bestandteilen vermischt ist, nimmt die Fruchtbarkeit von Böden ab, das Wasserhaltevermögen sinkt, die Böden werden instabil und erodieren. Und das passiert ständig: Durch falsche Bodennutzung gehen alljährlich riesige Mengen an Humus verloren, in Folge verschwinden durch Auswaschung und Sandstürme viele wertvolle Böden. Dass pro Jahr 60.000Quadratkilometer neue Wüste entstehen – das ist fast die Staatsfläche Österreichs –, ist nur ein sichtbarer Indikator für das Problem.

Freilich spielen dabei auch viele natürliche Faktoren ein Rolle, etwa Temperatur oder Niederschläge. Aber bei einem hat der Mensch ein Mitspracherecht. „Die organische Substanz ist der einzige Parameter, den wir verändern können“, sagt Martin Gerzabek, Bodenforscher an der Universität für Bodenkultur (und derzeit Rektor). Bei der Untersuchung von Böden aus 3000Standorten in ganz Österreich habe sich gezeigt, dass der Gehalt an organischem Kohlenstoff in Wiesen- und Waldböden doppelt so hoch sei wie auf Ackerböden, sagte er diese Woche bei der Auftaktveranstaltung der „Humusplattform“, zu der sich zehn Boku-Institute zusammengeschlossen haben.

Allerdings wird immer klarer, dass der Gehalt an organischem Kohlenstoff allein noch nicht allzu viel aussagt: Es kommt vor allem darauf an, wie er im Boden gebunden ist. Da gibt es viele Möglichkeiten: auf der einen Seite als wasserlösliche Verbindungen, die schnell abgebaut werden, im anderen Extrem aber als sehr große, komplex gebaute Moleküle, die über Jahrhunderte im Boden stabil bleiben können.


Ein Drittel bleibt im Boden. Wenn Pflanzenreste im Boden verrotten – also von Mikroorganismen abgebaut werden –, dann wird ein großer Teil der Biomasse zwecks Energiegewinnung veratmet: Zucker z.B. wird zu Wasser und Kohlendioxid (CO2). In Laborversuchen haben Umweltbiotechnologen am IFA Tulln festgestellt, dass nur 60 bis 70Prozent des eingebrachten Kohlenstoffs den Boden in Form von CO2 wieder verlassen. „Mit dem Rest wird entweder neue Biomasse aufgebaut – die Bakterien und Pilze wachsen –, oder es entstehen neue Moleküle“ erläutert Ines Fritz. Letztere sind die Huminstoffe. „Das sind geheimnisvolle Moleküle: Huminstoffe sind nicht einfach zu fassen, man kann keine chemische Formel angeben“, sagt die Leiterin der Humusplattform, Ena Smidt. Vielmehr sind sie eine sehr komplexe Mischung vielfältigster Moleküle, die man mit derzeitigen Methoden im Detail nicht analysieren kann.


Innige Verquickung. Das liegt auch am Wesen des Humus selbst: Denn die Huminstoffe sind nur eine Komponente des Humus, genauso wichtig sind mineralische Partikel – vor allem Tonmineralien –, an die die Huminstoffe gebunden sind. „Ton ist als Verwitterungsprodukt sehr feinkörnig und hat eine große, sehr reaktive Oberfläche“, erläutert der Geologe Franz Ottner. Die Verbindung kann locker sein – etwa über Wasserstoffbrücken –, sie kann aber auch sehr fest sein. So sind organische Partikel häufig in neu gebildeten Oxide im Boden eingeschlossen.

Erst durch die innige Verquickung von organischen Molekülen und mineralischen Bestandteilen entstehen die Eigenschaften, die einen guten Boden ausmachen: Nährstoffversorgung von Pflanzen, gute Bodenstruktur (etwa Porosität), Widerstandsfähigkeit gegen Erosion, Wasserspeichervermögen oder Filter- und Pufferfunktion. Für die Qualität des Grundwassers ist z.B. wesentlich, dass der Stickstoff im Humus gebunden ist – dadurch ist er für Pflanzen verfügbar, kann aber nicht als Nitrat ausgewaschen werden.

Die Mikrostruktur der organo-mineralischen Komplexe erklärt z.B. auch, warum ein ausgetrockneter Boden anfangs nur wenig Wasser aufnehmen kann: Die organischen Moleküle richten sich beim Trocknen der Bodenpartikel so aus, dass ihre „hydrophilen“ (wasserliebenden) Seiten zum Mineral gerichtet sind, die hydrophoben Enden hingegen nach außen – daher ist trockener Boden fettig. Erst mit zunehmender Feuchte richten sich die organischen Moleküle neu aus, und der Boden wird wieder aufnahmefähig.

Für die Forscher hat die intensive Vermischung aus organischen und anorganischen Stoffen die unliebsame Folge, dass nur ein Teil der Substanzen einer chemischen Untersuchung zugänglich ist. Mit derzeitigen Technologien kann man nur lösliche Verbindungen analysieren – wobei je nach dem verwendeten Lösungsmittel andere Stoffe gelöst werden.


Künstlicher Humus.
„In der Humusforschung ist noch viel zu tun“, kommentiert Gerzabek. So ist man sich nicht einmal darüber klar, durch welche chemischen Vorgänge Humus entsteht. Am Institut für Organische Chemie der Boku ist man kürzlich ein kleines Stück vorangekommen: In Laborversuchen ist es Falk Liebner gelungen, aus kleinen Molekülen Substanzen herzustellen, die ähnliche Eigenschaften wie Huminsäuren haben. Dieses Wissen ist wichtig, um aus Kompost oder industriellen Abfällen (wie Lignin) Bodenverbesserungsmittel herzustellen, mit denen der Kohlenstoffgehalt verarmter Böden aufgebessert werden kann.

Optimal ist es natürlich, den Boden so zu bewirtschaften, dass erst gar kein Humus verloren geht. Dafür gibt es viele Methoden, bei der Tagung wurden zwei Beispiele vorgestellt: Jürgen Friedel konnte beweisen, dass bei biologischem Ackerbau Humus neu gebildet wird. Und Gerlinde Trümper hat in Anbauversuchen gezeigt, dass der Kohlenstoffgehalt in Böden, die pfluglos (durch Direktsaat) bestellt werden, höher ist als bei herkömmlicher Bodenbearbeitung.

Gesunde Böden sind eine sogenannte CO2-Senke – in ihnen sind große Mengen des Treibhausgases gespeichert. Schätzungen zufolge lagert in den Böden der Welt doppelt so viel Kohlenstoff, wie in der Luft enthalten ist.

Der Klimawandel greift in die Mechanismen ein: Durch Änderungen der Temperatur und des Niederschlags kann sich der Kohlenstoffgehalt im Boden stark verändern – Details sind aber noch nicht ausreichend erforscht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2011)

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