Giftgaseinsatz in antikem Krieg in Syrien?

(c) EPA (Jamal Nasrallah)
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Bei einem Versuch der Perser, die römische Stadt Duro-Europos in Syrien zu erobern, sei erstmals in der Kriegsgeschichte eine Chemiewaffe eingesetzt worden, vermutet ein britischer Forscher.

Im Jahr 256 griffen die Sassaniden (Perser) die von Römern gehaltene Stadt Dura-Europos in Syrien an. Die Römer hatten die Mauern gut befestigt, deshalb versuchten es die Aggressoren an einem der Türme – Turm 19– von unten: Sie trieben von einer unterirdischen Nekropolis 40 Meter außerhalb der Stadtmauern einen Tunnel vor. Die Römer gruben einen Gegentunnel, etwas oberhalb des persischen. Irgendwann trafen beide aufeinander, Robert du Mesnil du Buisson, ein französischer Militärarchäologe, bekam das Ergebnis in den 1930er-Jahren zu Gesicht: 20 Skelette, 19 von römischen Legionären auf einem Haufen, eines von einem Perser. Zudem fanden sich Spuren von Feuer – und von Schwefel und Bitumen.

Für du Buisson war der Hergang klar: Es hatte einen Kampf Mann gegen Mann gegeben, in dem die Römer unterlagen. Die Perser setzten ihnen nach, auch mit dem Rauch eines gelegten Feuers. Aber Simon James, Archäologe in Leicester, hegt seit Langem Zweifel an dieser Version: Der Tunnel sei so eng und niedrig gewesen, dass man darin kaum mit Schwertern kämpfen hätte können; und die römischen Leichen bzw. Skelette seien nicht im Kampf aufgetürmt worden, sondern danach.

Gestank verbrannter Federn

James vermutete zunächst, die Römer seien in Panik geraten, hätten einander zu Tode getrampelt und seien von den verfolgenden Persern auf einen Haufen geworfen worden. Aber die Historikerin Kate Gillivier gab ihm eine andere Idee: Im Tunnel habe nicht irgendetwas gebrannt, dort sei erstmals eine chemische Waffe zum Einsatz gekommen: Giftgas. Auch die Waffentechnik der Antike habe sich nicht auf Schwerter beschränkt, schon in einem ähnlichen Kampf um Tunnels hätten Griechen Römer mit dem Gestank verbrannter Federn vertrieben.

James griff die Idee auf, entwickelte sie über Jahre und hat sie nun publiziert (American Journal of Archaeology, 115, S.69). Demnach stellten die Perser den Römern eine Falle: Sie horteten Schwefel und Bitumen und warteten, bis die Römer von ihrem höher gelegenen Tunnel nach unten durchgraben würden. Dann setzten sie „die Flammen der Hölle“ (James) in Gang: Wie in einen Kamin sei dichter Qualm in den römischen Tunnel gerast, dort habe vor allem der verbrannte Schwefel gehaust. Das Schwefeldioxid habe sich mit den Körperflüssigkeiten– in Augen, Nase und Lunge – zu ätzender Schwefliger Säure (H2SO3) verbunden. Das habe auch den einen Perser getötet, der dem von ihm gezündeten Inferno nicht entkam.

„Was unter dem Turm passierte, ist das älteste archäologische Beispiel für das, was wir chemische Kriegsführung nennen“, schließt James. Allerdings konzediert er, dass man seine Hypothese nie nachprüfen wird können. Du Buisson verschloss seinen grausigen Fund wieder, wenigstens teilweise: Die Rüstung des Persers ging in ein Museum, und wie viele Knochen noch da sind, weiß niemand. Sicher ist nur eines: Diesen Angriff konnten die Römer an ihrem Tunnelende abwehren. Aber später fiel die Festung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2011)

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