Biologie: Die Maskerade der Raupen

(c) John Skelhorn
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Viele Tiere tarnen sich vor den Augen der Jäger oder täuschen sie mit falschen Signalen. Das geht auf verschiedene Wegen. Aber manche narren stattdessen das Gehirn mit „Maskerade“, die lange Zeit Hypothese war.

Wer nicht gefressen werden will, tut gut daran, sich in den Augen der Jäger nicht als Beute zu zeigen (umgekehrt verbergen sich manche Jäger vor den Blicken der Beute). Das geht auf vielen Wegen: Manche Tiere bringen sich optisch zum Verschwinden, indem sie sich dem Hintergrund anpassen, das ist „kryptische Tarnung“; andere betreiben „disruptive Tarnung“, sie lassen ihre Körpergrenzen verschwimmen, ein Angreifer weiß nicht, wo er zupacken soll; so halten es die Zebras mit ihren Streifen, so hält es das Militär mit seinen wild gefleckten Tarnanzügen.
Wieder andere putzen sich umso greller heraus: Im „Aposematismus“ wird mit Warnfarben signalisiert, dass man gefährlich ist oder giftig, Giftfrösche haben auffallende Farben, Wespen auch. Bei denen haben sich Trittbrettfahrer eingestellt, Schwebfliegen, die weder Stachel noch Gift haben, aber so tun als ob: Sie haben die schwarz-gelbe Zeichnung der Wespen. Das ist „Bates'sche Mimikry“, sie fiel 1862 dem britischen Entomologen Walter Bates in Brasilien auf. Dort war auch der Deutsche Fritz Müller unterwegs, auch nach ihm wurde eine Mimikry benannt, er bemerkte sie an zwei Schmetterlingsarten, die beide für Vögel ungenießbar sind, weil sie Bitterstoffe im Körper haben. Die sind verschieden, aber die Kleider der Schmetterling sind gleich: Ein Vogel, der den bitteren Falter der einen Art gekostet hat, wird auch den der anderen meiden.

„Ich bin nicht essbar!“

Alle bisherigen Varianten täuschen das Auge, sie tarnen oder täuschen Gefahr vor. Aber es gibt noch etwas: Manche Insekten sehen aus wie Blätter, manche Spinnen wie Vogelmist, manche Pflanzen wie Steine („Litophs“). Sie alle zeigen sich durchaus, aber sie erwecken den Anschein, sie seien etwas nicht Essbares: Sie zielen nicht auf das wahrnehmende Auge, sondern auf das urteilende Gehirn.
Mit „Maskerade“. Die war lange Hypothese, es gab nur zwei Experimente, mit Vögeln und Raupen, die aussehen wie Ästchen und dadurch möglicherweise Vogelschnäbeln entgehen. Aber die Befunde waren diffus, man konnte nicht klären, ob die Vögel die Beute einfach nicht entdeckten – das wäre kryptische Tarnung –, oder ob sie sie sehr wohl sahen, aber im Gehirn als Beute verwarfen.
Dass es um Letzteres geht und dass es Maskerade wirklich gibt, konnte John Skelhorn (Exeter) erst im Vorjahr zeigen, wieder an Raupen, die wie Ästchen aussehen, und an Hühnerküken: Im Experiment erhielten manche erst echte Ästchen zu sehen (und zu beißen), andere nicht. Dann gab es kleine Büsche mit echten Ästchen und Raupen. Die Küken, die noch keine Erfahrung mit Ästchen hatten, hackten auf allem herum; aber die, die schon gelernt hatten, dass Ästchen ungenießbar sind, zögerten mit Attacken auch auf Raupen.
Nun hat Skelhorn das Experiment verfeinert: Theoretisch hängt die Wirksamkeit der Maskerade – wie die der Bates'schen Mimikry – daran, wie viele echte Ästchen es gibt und wie viele Imitate, das gilt für beide Seiten, Jäger wie Gejagte. Für beide bestätigte es sich auch: Küken, die gelernt hatten, dass die meisten Ästchen echt waren und es wenige Raupen gab, griffen weniger oft zu. Und Raupen sind auch nicht dumm: Sie suchten Regionen mit vielen Ästchen auf, selbst wenn es dort nichts zu fressen gab. Dort harrten sie aus – bis es dunkel wurde (Pnas, 4. 4.).

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