Insektizide: Nervengift liegt in der Luft

Insektizide Nervengift liegt Luft
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Insektizide verursachen schwere Verluste bei den Bienenvölkern. Das Projekt Melissa sagt den Maisbeizmitteln den Kampf an. Noch ist Österreich nicht in dem verheerenden Ausmaß betroffen wie etwa das deutsche Rheinland.

So schlimm wie in Teilen Süddeutschlands ist es mit der Imkerei und dem Bienensterben in Österreich nicht bestellt. Noch nicht. Dennoch sind schon vor zwei Jahren Untersuchungen angelaufen, um derart massive Schäden wie im Nachbarland einzudämmen oder überhaupt zu verhindern. In Baden-Württemberg ist die Ursache, nämlich die Aussaat von bestimmten Maisbeizmitteln, schon lange ausgemacht. Erste Meldungen über tote Bienenvölker in Österreich, die mit der Maisaussaat zusammenhängen, gibt es seit 2009. Und seit damals läuft das Forschungsprojekt Melissa der Ages.

Es ist ein aktuelles Problem. Mitte bis Ende April wird die Maisaussaat vorgenommen, wobei es sich fast durchwegs um ein Saatgutbeizmittel auf der Basis von Neonicotinoiden – im Speziellen kommt Clothianidin zur Anwendung – handelt. Die Ages (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) und das zugeordnete Baes (Bundesamt für Ernährungssicherheit) verfolgen bestimmte Auflagen bei der Maisaussaat, mit denen die Auswirkungen der Insektizide minimiert werden sollen.

Clothianidin wirkt als Nervengift und tötet den Maisschädling – in erster Linie den Maiswurzelbohrer (Käfer), dann den Drahtwurm. Nach den bisher dokumentierten Fällen verbreitet sich das Insektizid aber auf benachbarte blühende Pflanzen wie z.B. Raps und Obstbäume und auf Wasserflächen. Dort wird der Wirkstoff von den Bienen aufgenommen und in den Bienenstock eingetragen. Seit 2008 konnte bei etlichen toten Bienenvölkern Clothianidin nachgewiesen werden, am häufigsten in der südlichen Steiermark. Der Mais selbst ist keine wichtige Trachtpflanze für Bienen, allerdings bedienen sich diese in geringerem Ausmaß am Pollenertrag der Maispflanzen.


Richtlinien zur Maisaussaat. Noch ist Österreich nicht in dem verheerenden Ausmaß betroffen wie etwa das deutsche Rheinland, wo infolge dieses Insektizides zwischen Lörrach und Rastatt 11.500 Bienenvölker zugrunde gingen. Nach dem Melissa-Projekt müssen landwirtschaftliche Betriebe bei der Maisaussaat folgende Richtlinien beachten: Die Aussaat mit pneumatischen Sämaschinen soll eingestellt werden, da in diesen Fällen das Insektizid auf benachbarte, von den Bienen aufgesuchte Kulturen übertragen wird. Zudem ist die Aussaat bei Wind untersagt. Bei der mechanischen Aussaat legt sich das Saatgut direkt auf den Boden, eine Abdrift auf benachbarte blühende Kulturen kommt nicht vor.

Eine wirksame Bekämpfung des Maiswurzelbohrers wäre äußerst einfach. Der Schädling bewegt sich zwischen der alten und der neuen Maispflanze nur einige Zentimeter. Er stirbt dann ab, wenn er im kommenden Jahr keine Wirtspflanze findet. Wenn also nach dem Maisanbau in dem darauffolgenden Jahr eine andere Kulturpflanze angebaut wird, erledigt sich das Problem des Maiswurzelbohrers von selbst. Allerdings: Der intensive Maisanbau ist weit verbreitet, und eine gesetzliche Auflage zum Fruchtwechsel gibt es nicht. In Österreich werden auf 200.000 Hektar rund zwei Millionen Tonnen Mais geerntet.

Nach Ansicht von Global 2000 bezieht sich das Melissa-Projekt nur auf Einzelfälle, eine Gesamtentwicklung wird nicht dokumentiert. Deswegen wird ein generelles Verbot von neonicotinoiden Pestiziden gefordert. Ebenfalls ein Aus verlangt die Biobauernbewegung Bio Austria, die auf ähnliche Restriktionen in Deutschland und Italien verweist. Die Biene als wichtiger Bioindikator zeige nämlich die Problemstellen im gesamten Ökosystem auf. Neben der Varroamilbe, der Faulbrut und der Nosemose (Parasitenerkrankung) könnten die Insektizide zu einer weiteren ernsten Bedrohung der Honigbiene werden.

Dass Melissa noch verbessert bzw. verschärft werden muss, ist unbestritten. „Wir lernen Schritt für Schritt aus den Fehlern der letzten Saison“, sagt Rudolf Moosbeckhofer, Leiter des Instituts für Bienenkunde innerhalb der Ages. Tatsache sei jedenfalls, dass das Gefährdungspotenzial durch Melissa reduziert worden ist.

Eine Entwarnung kann die Ages geben: 98 Bienenstände wurde 2010 wegen Vergiftungsverdachts untersucht, und in drei Viertel der Fälle wurden Insektizide nachgewiesen (neben Clothianidin auch Thiamethoxam). Aber zusätzlich wurden in diesen Imkereibetrieben 62 Schleuderhonigproben auf die Insektizide untersucht. „In keiner Probe waren Rückstände der neonicothinoiden Saatgutbeizmittel nachweisbar“, lautet der Ages-Befund. Der Honig war in Österreich also nicht beeinträchtigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2011)

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