„Österreich ist ein Land der sozialen Normen"

(c) FABRY Clemens
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Internationale Studie mit österreichischer Beteiligung hat „strikte" und „lockere" Kulturen miteinander verglichen. Sie bezog sich auf die Normen der Gesellschaft, die Identifikation ihrer Mitglieder mit ihr.

Wie Kulturen sich unterscheiden, dokumentierte als erster Herodot um 400 v. Chr., er beschrieb im Detail die Sitten der damaligen Welt. Später haben die Sozialwissenschaften systematische Ansätze sonder Zahl versucht, u. a. zeigte ein Ethnologe 1968, dass traditionelle Gesellschaften in zwei Typen zerfallen, „strikte" und „lockere". Das bezog sich auf die Normen der Gesellschaften bzw. die Identifikation ihrer Mitglieder mit ihnen: Jäger und Sammler handhaben soziale Regeln eher locker, Bauern eher strikt: Sie müssen die Arbeit auf den Feldern koordinieren, sonst droht Hunger.

„Die Dimension der Normen wurde in den letzten Jahrzehnten vergessen, wir haben sie jetzt wieder fruchtbar gemacht", berichtet Soziologin Iris Fischlmayr (Uni Linz), die mit ihrer Kollegin Erna Szabo in einer internationalen Gruppe, die 33 Nationen verglich, für Österreich zuständig war. Ausgangspunkt war die Hypothese, dass die Rigidität der Normen an den Bedrohungen der Gesellschaften hängt, seien es die der Natur (Katastrophen), seien es die des Menschen (Kriege). Das bestätigte sich - große Bedrohungen, strikte Normen -, es spiegelt sich auch in den Organisationsformen: Solche Kulturen werden eher autokratisch regiert, haben viel Polizei etc.

Große Bedrohungen, strikte Regeln

Und es spiegelt sich in der Identifizierung mit den Normen. Die Forscher fragten Menschen, welches Verhalten als ungehörig angesehen wird, ob man etwa lachen oder lärmen darf, wenn man auf einem Begräbnis oder in einer Bank oder im Schlafzimmer ist. Man darf das alles eher nicht, wenn man Pakistani oder Malaysier oder Inder ist, diese drei führen die „Striktheitsskala" an; am anderen Ende geht es in Estland, Ungarn und der Ukraine am lockersten zu (Science, 332, S. 1100). Und hierzulande? „Österreich ist ein Land der sozialen Normen, die Handlungsspielräume sind gering, es gibt wenig Toleranz, bei Abweichungen kommen Sanktionen, sie werden auch von den Menschen erwartet und gewünscht", berichtet Fischlmayr.

Michele Gelfand (University of Maryland), Leiterin der internationalen Gruppe, hofft, die Befunde würden die „Toleranz" zwischen den Kulturen fördern. Aber schon Herodot war skeptisch: „Würde man die Menschen die besten Regeln der Welt wählen lassen, würde jede Gruppe ihre eigenen für die besten halten."

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