Wirtschaftskrise führte zu Minus bei Geburtenrate

Höher gebildete Frauen verschieben den Zeitpunkt, zu dem sie Kinder bekommen.

Mitte der 1960er-Jahre bekam eine durchschnittliche österreichische Frau 2,66 Kinder. Dann kam die „Pille“, die Geburtenrate rasselte in den Keller – der Tiefpunkt der Entwicklung war zur Millenniumswende, als statistisch nur mehr 1,36 Kinder pro Frau zur Welt kamen. Derzeit liegt der Wert bei etwas über 1,4.

Gleichzeitig ist das Alter der Frauen, in dem sie gebären, deutlich gestiegen: Während in den 1980er-Jahren das Durchschnittsalter der „Erst“-Mütter noch bei 26,4 lag, ist es bis zum Jahr 2010 auf 30,1 gestiegen. Dieser zweite Effekt bewirkt, dass die Geburtenrate ein extremeres Bild zeichnet – das nicht ganz der Realität entspricht. Rechnet man die Zeitverzögerung aus den Fertilitätsraten heraus, dann bekommt jede Frau im Durchschnitt rund 1,65 Kinder. Das liegt um einiges näher bei der „magischen“ Zahl von 2,1 Kindern pro Frau, bei der die Bevölkerung (ohne Migration) konstant bleibt. Allerdings: Da die Menschen immer älter werden, gehen Demografen derzeit von einer notwendigen Reproduktionsrate von 1,8 aus, um die Bevölkerungszahl stabil zu halten.

Österreich steht mit dieser Entwicklung nicht allein da, ähnliche Tendenzen werden in den meisten Ländern der entwickelten Welt beobachtet. Lange Zeit ging man davon aus, dass der Wohlstand einer Gesellschaft der wichtigste Bestimmungsfaktor für die Fertilität ist. Die Entwicklung im letzten Jahrzehnt widerspricht dem aber: Seit ungefähr 2000 steigen die Fertilitätsraten leicht an. Im Jahr 2008 traf das für alle 27 EU-Mitgliedstaaten zu.

Dann kam aber die Wirtschaftskrise. Und wie Demografen der ÖAW und des IIASA nun berechnet haben, führten die ökonomischen Probleme in den meisten westlichen Staaten zu einer Trendumkehr: In 13 EU-Ländern sank 2009 die Zahl der Geburten, in vier blieb sie konstant. Als Hauptgrund dafür geben die Forscher Arbeitslosigkeit und die unsichere Entwicklung an. Verschiedene Bevölkerungsgruppen reagierten aber unterschiedlich: Frauen mit hoher Bildung haben das Kinderkriegen verschoben, bildungsfernere Frauen behielten ihre Fertilität bei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2011)

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