Wenn Wölfe computerspielen

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Elf Wölfe und 14 Hunde im Zentrum der Verhaltensforschung.

„Wölfe und Hunde sind wahre Computerfreaks“, erzählt Kurt Kotrschal. Vom dritten oder vierten Lebensmonat an werden die Tiere im „Wolf Science Center“ (WSC) im niederösterreichischen Ernstbrunn auf die Bedienung eines Touchscreen-Monitors trainiert. „Die lernen das ganz leicht, das ist gleich wie bei menschlichen Kindern.“

Die Versuchstiere sehen auf dem Bildschirm zwei Symbole. Wenn sie mit der Schnauze auf das richtige Symbol stupsen, dann bekommen sie Futter; wenn nicht, dann leuchtet der Bildschirm rot auf, es gibt kein Leckerli – und das Tier beginnt schnell ungeduldig herumzutapsen. Und stürzt sich auf die nächste Aufgabe, die ihm die Forscher geben.

Herausfinden wollen die Wissenschaftler etwas über die kognitiven und sozialen Fähigkeiten von Hunden und Wölfen. Am Touchscreen wird etwa die Konzentrations- und Lernfähigkeit der Tiere überprüft. Parallel dazu werden natürlich von den Trainern auch herkömmliche Verhaltensexperimente durchgeführt. Dabei gibt es aber eine Gefahr: den „Klugen-Hans-Effekt“. Benannt ist dieser nach dem Pferd Hans, das angeblich rechnen konnte und das Ergebnis mit der Zahl an Hufschlägen bekannt gab. Allerdings kam man darauf, dass Hans in Wirklichkeit auf unmerkliche Signale seines Besitzers reagierte und das Hufklopfen zum richtigen Zeitpunkt stoppte. Bei den Touchscreen-Experimenten ist der „Kluge-Hans-Effekt“ ausgeschaltet.

Derzeit leben in dem 30.000 Quadratmeter großen Gehege am WSC elf Timber-Wölfe und 14 Hunde. Alle Tiere wurden per Hand aufgezogen: Vier bis sechs Monate verbrachten sie 24 Stunden mit ihrem Pfleger bzw. Trainer, alle Tiere beherrschen 20Kommandos. Dadurch werden die Ergebnisse über die Artgrenzen hinweg vergleichbar.

Eine zentrale Frage der Wolfsforscher ist die Kooperation der Tiere untereinander. „Kooperation ist die Basis des Sozialsystems. Wölfe und Menschen haben dabei sehr viel gemein“, erläutert Kotrschal. „Wir wollen die biologische Basis der Kooperationsbereitschaft finden.“ Viele Forscher untersuchen zu diesem Zweck frei lebende Wolfsrudel – vor allem in Nordamerika. Im Weinviertel werden in Ergänzung dazu gezielte Experimente durchgeführt – das WSC ist in dieser Hinsicht weltweit einzigartig.

Die Anlage wird weiter ausgebaut: Der Erforschung des Kooperationsverhaltens dient eine Einrichtung, die Ende August fertig wird: ein Laufband– zehn Meter lang, 2,5 Meter breit –, auf dem eine gemeinsame Jagd der Wölfe bei 40km/h simuliert werden kann. Eine der Fragen, die einer Antwort harren: Jagen die Wölfe wirklich im Rudel? Oder erscheint uns das nur so, und die Tiere jagen in Wirklichkeit jedes für sich – nur eben gleichzeitig?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2011)

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