Australopithecus sediba: Der endlich gefundene Quell des Menschen?

(c) Lee Berger
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Vor fast zwei Millionen Jahren lebte in Südafrika ein Wesen, das wie ein Mosaik aus Affe und Mensch gestaltet war. Fossilien fand man vor drei Jahren. Es ist der heißeste Kandidat für unseren direkten Ahnherrn.

Aufrecht geht der Mensch, zumindest körperlich, das ist seit 1,8 Millionen Jahren so, da erhob sich der erste Ahn auf Dauer – Homo erectus –, er tat es vermutlich nicht zum Gehen, sondern zum Laufen, hinter Beute her und, in Konkurrenz mit Hyänen, hinter Aas. Rasche Füße brauchte er auch, er tauchte zur gleichen Zeit in Afrika auf und in Dmanisi im heutigen Georgien. Wo entstand er und aus wem? Lange tippte man auf Afrika und Homo habilis – den „Geschickten“ –, aber es ist nicht einmal gesichert, ob es ihn überhaupt gab, die Funde sind rar und zeigen etwa eine Hand, die allzu geschickt nicht gewesen sein kann.

Das ist beim jüngsten Ahnenkandidaten anders: Vor drei Jahren fanden sich Fossilien von zwei Hominoiden – dazu zählt alles, was nach der Trennung der Ahnen der Menschen und Schimpansen auf der Linie des Menschen war – in Malapa bei Johannesburg. Dort gab es vor zwei Millionen Jahren ein verzweigtes Höhlensystem mit tückischen Klüften, aber viele Lebewesen wagten sich hinein auf der Suche nach Wasser, es war trocken und heiß in Südafrika. Manche zahlten mit dem Leben, Hyänen, Säbelzahntiger und die zwei zwergenhaften Menschlein, die zu Lebzeiten 1,27 Meter groß waren und um die 30 Kilo wogen.

Hände zum Klettern und präzisen Greifen

2008 kamen sie ans Licht, das Höhlendach war erodiert, der Anthropologe Lee Berger (Johannesburg) entdeckte sie und nannte sie Australopithecus sediba. Australopithecus – der „südliche Affe“ – ist bekannt, er lebte vor 4,2 bis zwei Millionen Jahren, seine berühmteste Vertreterin ist „Lucy“; „sediba“ ist neu und heißt in der lokalen Se-Sotho-Sprache „Quelle“. Das ist schön zweideutig, Berger vermutete von Anfang an, dass er auf den direkten Ahnherrn von H. erectus gestoßen war. Aber es gab ein Problem: Die Funde waren so alt wie er, 1,8 Mio. Jahre. Nun hat man noch einmal und feiner datiert: Vor 1,997 Jahren lebten und starben die beiden, eine etwa 28-jährige Frau und ein Knabe im Alter von zehn bis 13. Und man hat die fast vollständig erhaltenen Skelette teilweise aus ihrer steinernen Matrix befreit und in internationalem Forscherverbund allerorten Überraschungen gefunden – sie werden in gleich fünf Publikationen in Science vorgestellt –, etwa in der Hand: Die war noch für das Leben in Bäumen gebaut, zumindest zum Schlafen kletterten sie hinauf; sie hatte aber – anders als Affen – einen Daumen, mit dem präzise zugegriffen werden konnte. Im Umgang mit Werkzeug zumindest war A. sediba geschickter als H. habilis. Allerdings war er kleiner, auch sein Gehirn war es, mit 420 Kubikzentimeter Volumen – eine Grapefruit hat so viel – war es kaum größer als das eines Schimpansen. Aber es hatte sich umorganisiert, das zeigt ein Blick in seinen Schädel – im Knochen ist das Gehirn abgedrückt –, dieser wurde an einem Synchroton bei Cern in feinsten Details durchgemustert und mit Schädeln älterer Australopithecus verglichen: Er hatte Areale, vor allem vorne, hinter den Augen, die Richtung Mensch deuten.

Sie deuten auch darauf, dass es in der Evolution nicht einfach um Größe bzw. Wachstum des Gehirns ging – das war lange Dogma –, sondern um Struktur und Organisation. Und weil diese Gehirne so klein waren, konnten auch die Geburtskanäle klein bleiben. Aber die Becken wurden breit, das ist die nächste Novität: Lange ging man davon aus, dass das Becken wachsen musste, als und weil die Schädel wuchsen. Aber offenbar ist es gewachsen, um den aufrechten Gang zu ermöglichen. Zu ihm passen allerdings die wackligen Füße nicht gut, sie sind das seltsamste Mosaik an diesem Gesamtmosaik aus Affe und Mensch. Hätte A. sediba auf ihnen nach Dmanisi eilen und sich dort zu H. erectus entwickeln können, der dann wieder nach Afrika zurückwanderte? Ganz so abwegig ist die Vorstellung nicht. Denn da gab es noch die Zwergmenschen – Homo floresiensis oder auch „Hobbits“ –, die bis vor 19.000 Jahren auf der indonesischen Insel Flores lebten, sie stammen vermutlich von Australopithecus.

Aber wie auch immer: „Die vielen avancierten Muster in Körper und Gehirn machen A. sediba möglicherweise zum besten Ahnenkandidaten für unsere Gattung – Homo –, zu einem viel besseren als frühere Funde wie Homo habilis“, schließt Berger.

Ahnenreihe

Vor etwa sechs Mio. Jahren trennten sich die Ahnen von Menschen und Schimpansen.
Vor 4,2 Mio. Jahren kam Australopithecus – bekannt durch „Lucy“ –, bisher kannte man zwei Arten, sie gingen vor 1,9 Mio Jahren.
Vor 1,8 Mio Jahren kam Homo erectus. Er trieb die Größe des Körpers (von 1,20 auf 1,80 Meter) und die des Gehirns voran (auf 1000 Kubikzentimeter, Schimpansen und Australopithecus hatten um die 400, wir haben 1200). Er erwanderte die zu Fuß zugängliche Erde. Vor 200.000 Jahren ging er.
Dann kamen wir. Vor etwa 60.000 Jahren erwanderte auch Homo sapiens die Erde.

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