Lungenkrank: Wenn einem der Atem ausgeht

Wenn einem Atem ausgeht
Wenn einem Atem ausgeht(c) BilderBox (BilderBox.com / Erwin Wodicka)
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Ein Ludwig Boltzmann Institut in Graz will Menschen mit Erkrankungen der Lungengefäße schnellere Diagnosen und bessere Behandlungen ermöglichen. Geforscht wird an Mechanismen, die in der Lunge etwa zu Hochdruck führen.

Das Heimtückische an dieser Krankheit ist, dass es keine typischen Anzeichen dafür gibt“, sagt Andrea Olschewski. Sie leitet seit einem Jahr das Ludwig Boltzmann Institut (LBI) für Lungengefäßerforschung an der MedUni Graz und beschreibt, wie gefährlich die Erkrankung „Lungenhochdruck“ ist. Patienten, die unter dieser „pulmonalen Hypertonie“ leiden, merken anfangs gar nicht, dass sie krank sind: „Aber schleichend geht ihnen die Kraft und Ausdauer verloren“, so Olschewski. Das Problem: Wenn Patienten beim Hausarzt erzählen, dass sie die Stiegen nicht mehr steigen können oder Atemnot beim Wandern bekommen, werden sie zuerst zum Lungenfacharzt oder Kardiologen überwiesen. „Doch mit den Standardmethoden findet man nicht leicht heraus, ob ein Patient Lungenhochdruck hat.“ Daher kann es mehrere Jahre dauern, in denen man von einem Arzt zum anderen geschickt wird, bis endlich jemand auf die Idee kommt, dass es einem so schlecht geht, weil der Druck in den Lungengefäßen zu hoch ist.

„Man kann in den Lungengefäßen nicht einfach eine Manschette anlegen wie um den Arm, um den Blutdruck zu messen“, so Olschewski. Der am Arm gemessene Blutdruck kann bei Lungenhochdruck-Patienten im ganz normalen Bereich liegen. Auch Lungenröntgen, Herz-Ultraschall oder eine normale Herzkatheter-Untersuchung führen häufig nicht direkt zur richtigen Diagnose. „Bei manchen Patienten dauert es zehn Jahre, bis ein Arzt die Krankheit erkennt.“

Bisher kann man nur über eine relativ belastende invasive Untersuchung herausfinden, ob ein zu hoher Druck in den Lungengefäßen der Grund für Atemnot und schlechte Belastbarkeit ist: Man muss die rechte Herzkammer über einen Katheter, der meistens über eine Halsvene bis zum Herzen geschoben wird, untersuchen. (Ein normaler Herzkatheter geht in die linke Kammer.) Wenn die rechte Herzkammer vergrößert ist, wie es Spezialisten beim Herz-Ultraschall feststellen können, weiß man, dass hier zu viel Druck aufgebaut werden muss, um das Blut in die Lunge zu befördern. Das passiert, wenn in den Lungengefäßen ein zu hoher Widerstand herrscht. „Denn jedes einzelne Bluttröpfchen muss einmal durch die Lunge, um mit Sauerstoff versorgt zu werden, bevor es ein Organ versorgen kann. Wenn es in der Lunge einen hohen Widerstand gibt, wird die rechte Herzkammer mehr und mehr belastet.“

Diese aufwendige, aber relativ ungefährliche Untersuchung wird in Österreich nur in spezialisierten Zentren durchgeführt. „Weil es keine typischen Symptome gibt und weil man sehr lange die Krankheit nicht erkennt, ist die Dunkelziffer von Patienten mit Lungenhochdruck hoch“, warnt Olschewski. Wird die Erkrankung erst spät erkannt, können die jährlichen Behandlungskosten 300.000 Euro ausmachen. „Nun muss man wissen, dass etwa zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung über 40 Jahre von einer Lungenerkrankung wie z.B. chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) betroffen sind“, sagt Olschewski. Neben der „Raucherlunge“ – ein umgangssprachliches Wort für COPD – sind das auch beispielsweise Asthma, Lungenfibrose oder Lungenkrebs. Die WHO listet COPD immerhin als vierthäufigste Todesursache. Viele dieser Menschen leiden – ohne es zu wissen – auch an Lungenhochdruck.


Früherkennung. Studien zeigen nun, dass die Lebenserwartung von kranken Menschen mit COPD oder Lungenfibrose kürzer ist, wenn sie auch Lungenhochdruck haben, als von solchen, die zwar lungenkrank sind, aber nicht auch unter dieser Krankheit leiden. Um dieses Dilemma zu bekämpfen, sucht das Team des LBI nach neuen Methoden, mit denen man die Erkrankung schnell und sicher abchecken kann, ohne den Patienten sofort und jedes Mal einen Herzkatheter zu legen. „Wir suchen mit Ultraschall, Computertomografie und Magnetresonanz und mit Labormethoden nach Markern und Parametern, die gezielt auf Lungenhochdruck hinweisen.“ Außerdem werden Ärzte und Patienten über die Gefahren der Erkrankung regelmäßig informiert, die Sensibilität für dieses Thema gesteigert. Hier arbeitet das LBI auch mit der Selbsthilfegruppe Pulmonale Hypertension in Österreich zusammen. „Unser Ziel ist, dass Patienten schneller die richtige Diagnose bekommen“, sagt Olschewski.

Neben der Früherkennung ist auch die Grundlagenforschung ein wichtiges Thema: Welche Moleküle spielen bei der Entstehung der Krankheit eine Rolle? Wie kann man Medikamente entwickeln, die in die Signalwege der Zellen eingreifen, um die Krankheit zu verhindern oder eine Verbesserung hervorzurufen? „Die Signalwege können als Target für neue Medikamente dienen, die unsere Partner aus der Industrie, Bayer Health Care, entwickeln sollen. Unser Prinzip ist ,From Molecule to Patient'.“ Am Weg vom Molekül zum Patienten stehen klarerweise Tiermodelle, an denen untersucht wird, welche Substanzen wirksam sind und welche nicht. „Das Material direkt aus menschlichen Lungen ist nur begrenzt verfügbar und zeigt die Erkrankung bereits in einem sehr fortgeschrittenen Stadium.“ Für die Medikamentenentwicklung ist allerdings der Beginn der Krankheit und die grundlegende Veränderung wichtig.

„Wir forschen auch an anderen Lungengefäßerkrankungen“, sagt Olschewski. Bei COPD, Fibrose oder Lungenkrebs gibt es noch enorme Wissenslücken. Ebenso in der Therapie von Lungenkrankheiten: „Nur für fünf Prozent der Patienten mit Lungenhochdruck gibt es eine zugelassene Therapie.“ Wie man den großen Rest behandelt, ist auch Forschungsthema. „Ein weiterer Fokus liegt darauf, die bereits zugelassenen Medikamente besser an den Ort ihrer Wirkung zu bekommen“, erklärt die Medizinerin: „Denn der Blutdruck soll ja nur in der Lunge gesenkt werden, nicht im ganzen Körper.“

Daher hofft das Team zusammen mit den Partnern Nebu-tec und der Österreichische Akademie der Wissenschaften, dass man in Zukunft die Substanzen z.B. inhalieren könnte, anstatt eine Tablette zu schlucken oder eine Injektion zu bekommen. „Das bringt den Wirkstoff genau zu den Lungengefäßen: Somit spart man Medikamente, damit auch Geld – und es ruft weniger Nebenwirkungen hervor.“

COPD (chronic obstructive pulmonary disease) ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe von Lungenkrankheiten, die durch Husten, vermehrten Auswurf und Atemnot bei Belastung gekennzeichnet sind. Umgangssprachlich wird COPD oft als „Raucherlunge“ umschrieben.

Die Ursachen sind vielfältig: Rauchen, Belastung durch Schadstoffe in der Luft oder am Arbeitsplatz, Infektionen, Vererbung oder Ernährung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2011)

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