Pandemiegefahr: Neuer Streit um Laborviren

(c) AP (VINCENT YU)
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In Hongkong ist die Vogelgrippe "H5N1" wieder aufgetaucht. Vor diesem Hintergrund eskaliert die Auseinandersetzung um H5N1-Viren, die in Labors erzeugt wurden und viel gefährlicher sind als jene aus der Natur.

Auf einem Geflügelmarkt in Hongkong ist das gefürchtetste aller Grippeviren aufgetaucht, das der Hühnergrippe H5N1 (der Name kommt von Proteinen in der Virenhülle). 17.000 Hühner wurden in den vergangenen Tagen notgeschlachtet, lebendes Geflügel darf drei Wochen nicht gehandelt werden.

Denn H5N1 ist nicht nur für Vögel tödlich – Millionen fielen dem Virus seit Ende der 1990er in Ostasien zum Opfer –, sondern auch für Menschen. Seit 2003 haben sich 573 Personen angesteckt, fast zwei Drittel starben: 331. Die gefürchtete „Spanische Grippe“, die 1918/19 in Europa wütete, tötete nur 2,5 Prozent der Infizierten.

Allerdings wurden damals Millionen Menschen infiziert, denn die Spanische Grippe geht von einem Menschen auf den anderen über. H5N1 tut das nicht, daher ist die Zahl der Infizierten gering: Das Virus traf vor allem Geflügelhalter, es „springt“ nur direkt von Tieren auf Menschen. Aber die Sorge ist groß, dass es mutieren könnte.

Das Teufelsrezept publizieren?

Und in zwei Labors haben Forscher auch dafür gesorgt: Sie haben H5N1-Viren gebaut, die von einem Frettchen – sie sind in puncto Grippe dem Menschen am ähnlichsten – auf das andere gehen. Einer der Forscher ist Ron Fouchier (Rotterdam), er weiß um die potenziellen Folgen seiner Tat: „Es ist vermutlich eines der gefährlichsten Viren, das man herstellen kann.“

Entkommen darf es aus den Labors nicht, das würde „den Lauf der Weltgeschichte“ ändern, warnte das ansonsten nüchterne Wissenschaftsjournal „Science“.Aber es dreht selbst die Schraube weiter: Fouchiers Arbeit soll in „Science“ publiziert werden, jene der anderen Gruppe bei der Konkurrenz „Nature“. Dagegen gibt es heftige Kritik, von Forschern und der US-Behörde für Biosicherheit (NSABB): Sie fürchtet, das Wissen könnte in die Hände von Bioterroristen geraten. Deshalb hat sie die beteiligten Forscher sowie „Science“ und „Nature“aufgefordert, alle Details aus der Publikation zu streichen. Die Forscher willigten widerstrebend ein, Fouchier aber hält den Vorgang für „präzedenzlos“, das tut auch der Verantwortliche bei „Nature“. Und beide beharren darauf, dass das ganze Wissen zumindest Forschern zur Verfügung stehen muss, die einen Impfstoff gegen das Teufelszeug entwickeln könnten. Auch NSABB hält die Zensur nur für eine Notlösung und möchte verhindern, dass derart Mörderisches überhaupt in die Welt kommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2011)

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