Leben mit dem unperfekten Leben

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Resilienz ist die „neue Nachhaltigkeit“. Bei Experten ist die Bedeutung der Widerstandsfähigkeit schon angekommen. Die Politik lässt noch auf sich warten.

Was kommt heraus, wenn man österreichische und deutsche Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft fragt, was in den kommenden Jahren wichtig wird? Ein Begriff, der schon länger als „Trendwort“ gehandelt wird, einem bislang aber eher mühsam über die Lippen kommt: Resilienz.

Resilienz ist, salopp formuliert, so etwas wie die „neue Nachhaltigkeit“ und bedeutet so viel wie Widerstandsfähigkeit. Das Wort wurde bisher vor allem in der Technik (Elastizität) oder der Psychologie (Talent, schwierige Lebenssituationen zu meistern) verwendet. In der vorliegenden Arena-Analyse (Seiten 2 und 3) wird Resilienz breiter verstanden: Es geht um die Fehlertoleranz eines komplexen Systems, seine Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, also Störungen auszubalancieren oder sich an neue Gegebenheiten anzupassen. Weniger abstrakt formuliert ist Resilienz die Fähigkeit, sich auf harte Zeiten einzustellen. Und zwar weniger, indem man hofft, schlimme Dinge ganz abwenden zu können, sondern, indem man aktiv versucht, mit den wahrscheinlichen und unangenehmen Folgen fertigzuwerden. Wer das mit Realismus übersetzt, liegt nicht ganz falsch. Ehrlichkeit ginge auch.

Was bedeutet es aber, wenn viele kluge Leute – und zwar in einer offenen Befragung – unisono Realismus/Resilienz einfordern? Bedeutet es überhaupt etwas? Ja, durchaus. Dahinter steckt nämlich die ernüchternde Erkenntnis, dass die Krise, die inzwischen zum Dauersummton geworden ist, gezeigt hat, dass sich „von selbst“ prinzipiell nichts mehr löst: Weder führt die Krise automatisch zu einem Paradigmenwechsel (welchem auch?), noch reguliert sich alles „eh irgendwie von selbst“. Die Arena-Analyse prägt hier den hübschen, aber etwas dramatischen Begriff der „schleichenden Apokalypse“.

Der Schluss daraus: Man muss wohl selbst tätig werden. Ob in einer fatalistischen – „Armageddon verwalten“, nennt das einer der „Arena“-Teilnehmer, Jürgen Turek vom Centrum für angewandte Politikforschung an der LMU München – oder in einer optimistischen Grundhaltung, bleibt dabei offen. Der Begriff Resilienz, sagt der Kulturphilosoph Burghart Schmidt, schillert nämlich in beide Richtungen. Wobei Optimismus günstiger ist: Denn im Idealfall – Beispiel Klimapolitik – unternimmt man das Mögliche, um den CO2-Ausstoß zu verringern, richtet sich aber gleichzeitig darauf ein, dass es anders kommen wird. Ohne jegliche Hoffnung wäre so eine Übung eher trist.

Das Bedeutende an der Analyse, sagt Turek, sei, dass es unter Experten in dieser Frage überhaupt (spät, aber doch) einen Mainstream gebe. Denn so lautet die Hoffnung: Was im kleinen Kreise anfängt, zieht später größere. Und es kommt der Tag, an dem die Gesellschaft, sprich die Bürger, von der Politik eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Fakten und krisenfeste Lösungen fordern. Die aktuelle Spardebatte plus Verwaltungsreform wäre etwa ein guter Anlass. Allerdings: Wenn man auf die Mut-/Wutbürger-Gemengelage blickt, ist man geneigt, das für einen frommen Wunsch zu halten. Zumindest geht es einem latenten Pessimisten so.

Wobei: Die Wissenschaft gibt doch Anlass zur Hoffnung. Beim Design von Systemen oder in der Expertenklimadebatte ist Resilienz inzwischen zum fixen Bestandteil im Anforderungskatalog geworden. Freilich hat die Wissenschaft der Politik etwas voraus. Wir wollen es Demut nennen. Resilienz bedeutet nämlich auch das Eingeständnis, dass es keine perfekten Systeme und Lösungen gibt, dass man nie alles im Griff hat und dass es eben oft schlimmer kommt, als man es sich wünschen würde. Den Vorteil einer solchen Haltung hat schon Douglas Adams plastisch – und hier frei übersetzt – so geschildert: „Der Unterschied zwischen Dingen, die kaputtgehen können, und Dingen, die nicht kaputtgehen können, besteht darin, dass Dinge, die nicht kaputtgehen können, im Fall, dass sie doch kaputtgehen, unmöglich zerlegt oder repariert werden können“ („Hitchhiker's Guide to the Galaxy“).

In diesem Sinn darf man hoffen, dass Resilienz letztlich nicht bloß als modische Worthülse in Hochglanzbroschüren Karriere macht. Es wäre doch schade darum.

E-Mails an: ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2012)

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