Geologie: Wie hoch steigt das Meer?

(c) ORF (Udo Maurer)
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Paläodaten, die 20 Meter befürchten ließen, verlieren durch neue Deutung die Hälfte des Schreckens. Vor 400.000 Jahren lagen die Meeresspiegel um 20 Meter höher als heute Darauf deuten zumindest alte Sedimente.

Vor 400.000 Jahren, in einer ungewöhnlich warmen und langen Zwischeneiszeit („marine isotopic stage, MIS 11“), lagen die Meeresspiegel um 20 Meter höher als heute. Darauf deuten zumindest alte Sedimente an den Küsten der Bahamas und Bermudas, sie liegen heute hoch oben im Gestein. Offenbar hat die Erwärmung das gesamte Eis über Grönland und der westlichen Antarktis schmelzen lassen, manche Forscher vermuten auch, dass die Ostantarktis eisfrei gewesen sein muss, in ihr ist achtmal so viel Wasser gebunden wie in den beiden anderen Eisschilden zusammen.

Viele sehen in dieser Periode eine Mahnung für das, was die heutige Erwärmung bringen könnte: 20 Meter, wenn neben Grönland und der westlichen Arktis auch die östliche schmilzt. Und die Bermudas und Bahamas gelten als besonders verlässliche Zeugen: An anderen Küsten gab es (zu anderen Zeiten) noch stärkere Meeresspiegelerhöhungen, auf Hawaii etwa. Aber diese Inseln sind nicht stabil, sie werden von Vulkanen unter ihnen gehoben, das ist bei den Bermudas und Bahamas nicht so.

Allerdings kam für die Sedimente hoch in den heutigen Küste 2007 eine konkurrierende Erklärung: Auf der Kanareninsel La Palma vor Afrika sei ein halber Vulkan ins Meer gerutscht. Der folgende Tsunami sei quer durch den Atlantis gefahren und auf die Bahamas und Bermudas geprallt, sie liegen nahe der Ostküste der USA. Diese Gefahr drohe heute wieder, dann werde es New York treffen. Das machte Schlagzeilen, in der Forschung blieb es umstritten.

Die hat nun eine weniger spektakuläre Erklärung: Die Bahamas und Bermudas lagen in der Eiszeit vor MIS 11 am Rand des Eisschildes, der ganz Nordamerika bedeckte. Dort kam es erst durch die Last des Eises und dann durch die Befreiung davon zu komplexen Verformungen der Erdkruste. Maureen Raymo (Columbia University) hat die Effekte für die Bahamas und Bermudas durchgerechnet: Sie erklären etwa die Hälfte der 20 Meter. Das Meer stieg nur um sechs bis 13 Meter (Nature, 14.3.). Das bringt immerhin eine Beruhigung: Die östliche Antarktis ist selbst während dieser langen Warmperiode nicht geschmolzen. jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2012)

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