Umstrittenes Neutrino-Experiment: Rücktritte der Forschungschefs

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Symbolbild(c) REUTERS (DENIS BALIBOUSE)
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Die 170-köpfige Gruppe, die letztes Jahr am Cern überlichtschnelle Teilchen gefunden haben will, ist in internen Streit geraten und zerfällt.

Im September 2011 brachte eine Meldung aus dem Gran-Sasso-Labor in den Abruzzen die Physik fast ins Wanken: Mitarbeiter des Forschungsprojekts Opera hatten vom Cern in Genf Neutrinos zu sich schießen lassen und gemessen, dass diese die 731 Kilometer rascher bewältigten – um 60 Nanosekunden –, als Licht für den gleichen Weg gebraucht hätte. Das widersprach der speziellen Relativitätstheorie – nichts kann schneller sein als das Licht –, es löste heftige Debatten unter Einstein-Freunden und -Widerlegern aus, viele Physiker vermuteten einen Messfehler.

Aber Opera besteht schließlich auch aus Physikern, 170 standen auf der Autorenliste der Sensation. Für sie alle sprach Antonio Ereditato (Bern), die Forschung selbst wurde von Dario Autiero (Lyon) koordiniert. Beide haben nun ihre Funktionen niedergelegt. Das ist der bislang letzte Schritt in einem zähen Rückzugsgefecht. Im Februar konzedierte Ereditato, dass mögliche Materialfehler – etwa an einem Glasfaserkabel, das die Uhren in Genf und im Gran Sasso hätte koordinieren sollen – hinter den 60 Nanosekunden stehen könnten. Im März erklärte eine zweite Gruppe im Gran Sasso, die auch Neutrino-Geschwindigkeiten misst – „Icarus“ unter Carlo Rubbia –, dass bei ihnen die Neutrinos der Relativitätstheorie gehorchten.

Da brodelte es Opera-intern schon stark, viele Mitglieder der Gruppe hielten die Publikation für verfrüht. Deshalb initiierten sie eine Vertrauensabstimmung über Ereditato, eine Zweidrittelmehrheit hätte ihn zum Rücktritt gezwungen. Die kam nicht zustande, aber 55 Prozent waren gegen ihn, daraus zog er die Konsequenz. In der Sache hält Opera daran fest, dass Experiment und Messung im Mai wiederholt werden. jl

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