Sonne bleibt rätselhaft: Wie wurde die Erde wohnlich warm?

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2,7 Milliarden Jahre alte Regentropfen geben Auskunft über den damaligen Luftdruck: Er war kaum höher als heute. Damit wird der letzte Erklärungsversuch der frühen Geschichte hinfällig.

Auch die Sonne hat ihre Lebensgeschichte: Als sie jung war, strahlte sie schwächer, das ist bei allen Sternen so, die sich selbst verbrennen, erst wenn ihr Kern (aus zu Helium fusioniertem Wasserstoff) dichter wird, steigen die Temperaturen. Deshalb hatte die Sonne im Archaikum – vor 3,8 bis 2,5 Milliarden Jahren – nur 75 Prozent ihrer heutigen Kraft, die Erde hätte 26 Grad kälter als derzeit und damit durchgefroren sein müssen. Aber sie hatte flüssiges Wasser, man weiß es von vielen geologischen Zeugen, und in dem Wasser gedieh Leben. Dieses Rätsel fiel 1972 den Astronomen Carl Sagan und George Mullen auf, sie nannten es „faint young sun paradox“ und versuchten, es mit Treibhausgasen in der Atmosphäre zu lösen. Dabei setzten sie auf Ammoniak (NH3). Aber dieses Gas ist fotochemisch instabil, auch die schwache Sonnenstrahlung hätte es rasch zersetzt.

In den 1990er-Jahren kam ein zweiter Anlauf, von James Casting (Pennsylvania State University), auch er setzte auf ein Treibhausgas – CO2 –, davon hätte es allerdings viel gebraucht: 30Prozent der Atmosphäre hätten daraus bestehen müssen, heute sind es 0,038Prozent. Das war von Beginn an schwer vorstellbar, ausgeschlossen wurde es 2010, als Minik Rosing (Kopenhagen) an 3,8 Milliarden Jahre altem Gestein aus Grönland zeigte, dass der damalige CO2-Gehalt maximal ein Prozent betrug – man kann es aus dem Verhältnis von Magnetit und Siderit herauslesen, die sich jeweils nur bei besonderen CO2-Konzentrationen formen können.

Zugleich warf Rosing die Erklärung um: Die Wärme sei nicht von Treibhausgasen gekommen, sondern von der Albedo, das ist das Maß dafür, wie viel Sonnenlicht reflektiert wird. Vor 3,8 Milliarden Jahren seien die Ozeane größer gewesen und nicht vereist, ihre dunkle Fläche hätte weniger Energie zurückgestrahlt als helleres Land oder gar Eis.

Zudem habe es weniger Wolken gegeben – auch sie reflektieren –, weil weniger Kristallisationskeime für sie da waren. Die kamen in großer Zahl erst mit dem Leben, entweder direkt, von Algen – manche produzieren Methylsulfid –, oder indirekt, durch die Zersetzung von Gestein, der Staub wird dann verwirbelt. Aber auch Rosing fand wenig Zustimmung, die Treibhausgase kehrten wieder, in einer stark gewandelten Variante: Colin Goldblatt (Nasa) schloss aus 2,5 Milliarden Jahre altem Gestein, dass in der frühen Atmosphäre mehr als doppelt so viel Stickstoff (N2) gewesen sei wie heute, entsprechend hoch war der Luftdruck. Und N2 ist zwar kein Treibhausgas, ein hoher Druck kann aber die Wirksamkeit solcher Gase erhöhen, indem sie – durch „pressure broadening“ oder „collision broadening“ – einen breiteren Wellenbereich absorbieren. Ein doppelt so hoher Druck wie heute hätte trotz schwacher Sonne bei etwas höherem CO2als heute für eine warme Erde gereicht.

Regentropfen, in Vulkanasche fossiliert

Nun müsste man nur noch wissen, wie hoch der Luftdruck im Archaikum war. Das Barometer wurde erst 1644 erfunden, aber 1851 hatte der britische Geologe Charles Lyell eine Eingebung. Man kann den Luftdruck aus Regentropfen bzw. ihren Einschlagskratern berechnen, er bestimmt die Größe der Tropfen und die Einschlagsgeschwindigkeit mit: Je höher der Luftdruck, desto langsamer der Tropfenfall. Diese Idee hat nun Nasa-Forscher Sanjoy Som erstmals umgesetzt: Er hat Regentropfen vermessen, die vor 2,7 Milliarden Jahren in Vulkanasche im heutigen Südafrika einschlugen, und er hat ihre Muster mit denen verglichen, die beim Einschlag von Regen in heutige Asche entstehen, in die von Vulkanen in Hawaii und Island.

Dabei zeigte sich, dass der Luftdruck damals kaum höher war als heute. Keinesfalls erreichte er jenen – doppelten – Grad, den das „pressure broadening“ braucht, um relativ geringe Gehalte an CO2 oder auch Methan (CH4) wirksam genug zu machen (Nature, 28.3.). Damit ist auch der letzte Kandidat zur Lösung des Paradoxons weg. Aber es ist noch Zeit, die Sonne altert langsam, erst in fünf Milliarden Jahren wird sie sich zum Roten Riesen mit 3000-facher Strahlkraft von heute aufblähen und alles Leben verbrennen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2012)

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