Orientierung der Vögel: Doch nicht im Schnabel?

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Forscher am Wiener IMP stellen die gängige Erklärung der Orientierung von Tauben im Erdmagnetfeld infrage. Etliche Verhaltensstudien, die die Theorie des Magnetits im Schnabel stützten, sollten überprüft werden.

Kleine Kristalle aus Magnetit (Fe2O3) sitzen in Nervenzellen im Schnabel der Taube, und wenn sich das äußere Magnetfeld ändert, bewegen sich diese Kristalle und drücken sozusagen auf den Nerv. Das ist eine auch dem Laien einleuchtende Theorie für den – lange rätselhaften – Magnetsinn der Tauben, der diesen Vögeln z. B. hilft, wenn sie einen Job als Brieftaube ausüben.
Eine schöne Theorie. Doch Forscher um David Keays am IMP in Wien mussten nun entdecken, dass ihre experimentellen Daten nicht wirklich zu dieser Theorie passen (Nature, 11. 4.), und das ist – zumindest in der Biologie – ein guter Grund, diese Theorie anzuzweifeln.

Zunächst fanden die IMP-Forscher bei einer Gruppe deutscher Tauben die eisenhaltigen Zellen gar nicht. Bei einer weiteren Gruppe unterschieden sich, so Keays, „sowohl der genaue Ort als auch die Anzahl dieser Zellen von Tier zu Tier gewaltig. Wir dachten, wir machen etwas falsch.“ Schließlich ist es wenig plausibel, dass manche Tauben weniger Magnetsinn haben als andere.

Es waren weiße Blutkörperchen!

Des Rätsels Lösung brachte dann eine Taube mit einer Infektion: Rund um den Infektionsherd fanden sich zehntausende eisenhaltiger Zellen. Klarer Verdacht: Es sind Zellen, die die Infektion bekämpfen, Makrophagen, eine Art von weißen Blutkörperchen. Aber warum enthalten die so viel Eisen? Weil sie nicht nur fremde Zellen verschlingen, sondern auch für das Recycling des Eisens aus dem Hämoglobin der roten Blutkörperchen zuständig sind. Sie enthalten das Eisen nicht in Form von Fe2O3, sondern in Proteine (Ferritin) gehüllt.

Makrophagen jedenfalls sind ziemlich sicher nicht als Sinneszellen zu gebrauchen: Sie können keine elektrischen Signale produzieren, die von Neuronen registriert werden. Damit müssen die Sinneszellen, in denen der Magnetsinn der Tauben sitzt, wieder als unentdeckt gelten. Vielleicht finden sich solche Zellen wie bei der Regenbogenforelle im Geruchsepithel, schreiben die Forscher. Etliche Verhaltensstudien, die die Theorie des Magnetits im Schnabel stützten, sollten jedenfalls überprüft werden.

„Unglaublich frustrierend“ nennt Keays selbst die Entdeckung: „Wir haben keine Ahnung, wie groß das Puzzle ist, aber wir mussten einige Stücke daraus entfernen, die einfach nicht passten.“ APA/tk

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