Wie schwer die Atmosphäre wiegt

Maria Karbon half mit, die genaue Form der Erde zu berechnen: Ihre Atmosphären-Modelle sind bei Satelliten und auf der Erde im Einsatz.

Vor 500 Jahren war es eine Sensation zu beweisen, dass die Erde rund ist. Seit Carl Friedrich Gauß ahnt man jedoch, dass die Erde gar nicht kugelrund ist. Die Erdform wird seither „Geoid“ genannt und sieht eher aus wie eine verwachsene Kartoffel. „Die Form des Geoids ist wichtig, um die Höhenmeter an jedem Punkt der Erde zu bestimmen“, sagt Maria Karbon. Die Seehöhe in Österreich wird nach dem Meeresspiegel von Triest berechnet, jene in Deutschland nach dem von Amsterdam. „Beim Bau einer Brücke zwischen Österreich und Deutschland würde an der Grenze eine 30 cm hohe Stufe aufgrund der unterschiedlichen Höhenberechnung entstehen: Daher braucht man ein globales Modell der Höhe“, so Karbon. In ihrer Dissertation (TU Wien, Forschungsgruppe Höhere Geodäsie, Betreuer: Harald Schuh) hat sie Modelle zur genauen Berechnung der Geoidform bzw. des Schwerefelds der Erde, das die Form definiert, entwickelt. „Das Schwerefeld ist nicht überall gleich: Ein Apfel fällt daher nicht immer gleich schnell zu Boden“, sagt Karbon. Seit 2000 wird das Geoid von Satelliten gemessen, ein zentraler Bestandteil ist das Projekt GRACE, zu dem Karbon beitrug. „Die Satelliten kreisen außerhalb der Atmosphäre, wollen aber die exakte Schwere der Erde beobachten. Dazu muss man erst die exakte Schwere der Atmosphäre wissen und diese von den Satellitendaten abziehen, sonst sind die Ergebnisse verfälscht“, sagt Karbon.

Weltweit versuchen Forscher die Schwere der Atmosphäre so genau wie möglich zu berechnen, damit die Messungen der Geoidform der Erde nicht verzerrt sind. „Die Anziehung der Atmosphäre auf die Satelliten ändert sich bei Hochdruck, bei Tiefdruck, jede Wolke hat ein Gewicht: All das sind Störsignale“, so Karbon. Sie nutzte moderne Wettermodelle, um die Anziehung der Atmosphäre zu jedem Zeitpunkt errechnen zu können. Das Besondere: Die Modelle können auch für punktgenaue Schwerefeld-Messungen auf der Erde (Satelliten messen sehr großflächig) genutzt werden: „Ein ,supraleitender Gravimeter‘ steht südwestlich von Wien, es gibt weltweit nur etwa zwanzig davon. In Zusammenarbeit mit der ZAMG konnte ich zeigen, dass bei den Messungen der Erdschwere auch dort der Einfluss der Atmosphäre mit den Modellen gut eliminiert werden kann.“ Karbon forscht inzwischen in Potsdam am Deutschen GeoForschungsZentrum an der genauen Beobachtung der Erdrotation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2013)

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